Textbeispiel:
Philostrat.
Beliebt es Eurer Hoheit? Der Prolog
Ist fertig.
Theseus.
Laßt ihn kommen.
Trompeten. - Der Prolog tritt
auf.
Prolog.
Wenn wir mißfallen tun, so ist's mit gutem Willen;
Der Vorsatz bleibt doch gut, wenn wir ihn nicht
erfüllen.
Zu zeigen unsre Pflicht durch dieses kurze Spiel,
Das ist der wahre Zweck von unserm End und Ziel.
Erwäget also denn: warum wir kommen sein:
Wir kommen nicht, als sollt ihr euch daran ergetzen;
Die wahre Absicht ist - zu eurer Lust allein
Sind wir nicht hier - daß wir in Reu und Leid euch
setzen.
Die Spieler sind bereit; wenn ihr sie werdet sehen,
Versteht ihr alles schon, was ihr nur wollt verstehen.
Theseus.
Dieser Bursche nimmt's nicht sehr genau.
Lysander.
Er hat seinen Prolog geritten wie ein wildes Füllen; er weiß noch nicht,
wo er halt machen soll. Eine gute Lehre, gnädiger Herr: es ist nicht genug, daß
man rede; man muß auch richtig reden.
Hippolyta.
In der Tat, er hat auf seinem Prolog gespielt wie ein Kind auf der Flöte.
Er brachte wohl einen Ton heraus, aber keine Note.
Theseus.
Seine Rede war wie eine verwickelte Kette: nichts zerrissen, aber alles in
Unordnung. Wer kommt zunächst?
Pyramus, Thisbe, Wand, Mondschein und Löwe treten
als stumme Personen auf.
Prolog.
Was dies bedeuten soll, das wird euch wundern müssen,
Bis Wahrheit alle Ding' stellt an das Licht herfür.
Der Mann ist Pyramus, wofern ihr es wollt wissen;
Und dieses Fräulein schön ist Thisbe, glaubt es mir.
Der Mann mit Mörtel hier und Leimen soll bedeuten
Die Wand, die garstge Wand, die ihre Lieb tät
scheiden.
Doch freut es sie, drob auch sich niemand wundern
soll,
Wenn durch die Spalte klein sie konnten flüstern
wohl.
Der Mann da mit Latern und Hund und Busch von Dorn
Den Mondschein präsentiert, denn, wann ihr's wollt
erwägen:
Bei Mondschein hatten die Verliebten sich verschworn,
Zu gehen nach Nini Grab, um dort der Lieb zu pflegen.
Dies gräßlich wilde Tier, mit Namen Löwe groß,
Die treue Thisbe, die des Nachts zuerst gekommen,
Tät scheuchen, ja vielmehr erschrecken, daß sie bloß
Den Mantel fallen ließ und drauf die Flucht genommen.
Drauf dieser schnöde Löw in seinen Rachen nahm
Und ließ mit Blut befleckt den Mantel lobesam.
Sofort kommt Pyramus, ein Jüngling weiß und rot,
Und find't den Mantel da von seiner Thisbe tot;
Worauf er mit dem Deg'n, mit blutig bösem Degen
Die blutge heiße Brust sich tapferlich durchstach;
Und Thisbe, die indes im Maulbeerschatten glegen,
Zog seinen Dolch heraus und sich das Herz zerbrach.
Was noch zu sagen ist, das wird - glaubt mir fürwahr!
-
Euch Mondschein, Wand und Löw und das verliebte Paar
Der Läng und Breite nach, solang sie hier verweilen,
Erzählen, wenn ihr wollt, in wohlgereimten Zeilen.
(Prolog, Thisbe, Löwe und Mondschein
ab.)
William Shakespeare: Ein Sommernachtstraum