Erlebte Rede

Erlebte Rede: Erzählerische Redewiedergabe in der 3. Person Präteritum oder Plusquamperfekt Indikativ, mit Innensicht und der Möglichkeit kommentierender Einmischung, aber ohne ‚verba dicendi et sentiendi’, in vollständiger Syntax (Ausnahme: Interjektionen) und mit unbeschränkter Interpunktion, jedoch ohne Anführungszeichen.
In erlebter Rede bleiben zwar der Wortlaut und die Ausdrucksqualität des von der Figur Gesagten weitgehend erhalten, werden aber (mitunter in fließenden Übergängen) in den Erzählerbericht samt dessen Tempus und Syntax eingebettet. Erlebte Rede ist somit zwar weniger narrativ als indirekte Rede, auch sie bleibt aber letztlich formal dem Erzähler zugeordnet.
Textbeispiel:
Frau Stuth aus der Glockengießerstraße hatte wieder einmal Gelegenheit in den ersten Kreisen zu verkehren, indem sie Mamsell Jungmann und die Schneiderin am Hochzeitstag bei Tonys Toilette unterstützte. Sie hatte, strafe sie Gott, niemals eine schönere Braut gesehen, lag, so dick sie war, auf den Knieen und befestigte mit bewundernd erhobenen Augen die kleinen Myrtenzweiglein auf der weißen moiré antique ...
Thomas Mann: Buddenbrooks
Erläuterung:
In die Beschreibung der helfenden Tätigkeit von Mamsell Jungmann ist hier mit „Sie hatte, strafe sie Gott, niemals eine schönere Braut gesehen“ ganz unvermittelt eine Aussage von Mamsell Jungmann eingeflochten. Es handelt sich dabei um erlebte Rede, weil sie in Erzählerrede eingebettet, in der 3. Person Präteritum Indikativ gehalten ist, und nicht von einem einleitenden Verb des Sagens/Meinens oder Anführunsstrichen eingeleitet wird.
Fragestellung:
Welche Formen der Rede- und Gedankenwiedergabe können Sie in der oben stehenden Passage ausmachen? Beschreiben Sie mit Hilfe der in LiGo eingeführten Begriffe und sehen Sie sich dann die Musterlösung an.
Textbeispiel:
„Aber, Vaterleben, was sollen wir mit 'm Kirchturm?“
In dieser Richtung gingen öfters die Gespräche zwischen Vater und Sohn, und was der Alte vorläufig noch in der „Perspektive“ sah, das wäre vielleicht schon Wirklichkeit geworden, wenn nicht des alten Dubslav um zehn Jahre ältere Schwester mit ihrem von der Mutter her ererbten Vermögen gewesen wäre: Schwester Adelheid, Domina zu Kloster Wutz. Die half und sagte gut, wenn es schlecht stand oder gar zum Äußersten zu kommen schien. Aber sie half nicht aus Liebe zu dem Bruder - gegen den sie, ganz im Gegenteil, viel einzuwenden hatte -, sondern lediglich aus einem allgemeinen Stechlinschen Familiengefühl. Preußen war was und die Mark Brandenburg auch; aber das Wichtigste waren doch die Stechlins, und der Gedanke, das alte Schloß in andern Besitz und nun gar in einen solchen übergehen zu sehen, war ihr unerträglich.
Theodor Fontane: Stechlin (1. Kapitel)
Ihre Formulierung:
Der erste Satz ist in
zitierter Rede
Zitierte Rede
Dieser Modus liegt vor, wenn die Worte einer Figur ohne (wesentliche) Eingriffe durch den Erzähler wiedergegeben werden.
. In den Kommentar des Erzählers ist mit „Perspektive“ wiederum ein Zitat eingebaut. Das „gut“ im Satz „Die half und sagte gut, wenn es schlecht stand“ ließe sich als erlebte Rede definieren. An dieser Stelle ist aber eine eindeutige Identifikation aufgrund des fehlenden Verbs nicht möglich. Der übernächste Satz - „Preußen war was und die Mark Brandenburg auch; aber das Wichtigste waren doch die Stechlins“ - ist dagegen eindeutig als erlebte Rede idenitifizierbar: Erzählerische Redewiedergabe in der 3. Person Präteritum Indikativ, ohne verba dicendi et sentiendi, in vollständiger Syntax ohne Anführungszeichen. Danach geht der Satz mit „und der Gedanke“ in einen
Bewusstseinsbericht
Bewusstseinsbericht
Bewusstseinsprozesse werden durch den Erzähler vermittelt und dabei zusammengefasst. Der Erzähler weicht erkennbar von den Gedanken oder Bewusstseinsinhalten einer Figur, die diese in der erzählten Welt (vermeintlich) denkt oder hat, ab - indem er sie weglässt, zusammenfasst oder anderweitig verändert.
über.

|
|
Erlebte Rede
|