Tatsachen, die zur Charakterisierung einer Figur in der erzählten Welt beitragen
Charakterisierung: Prozess der Bindung stabiler figurenbezogener Tatsachen an eine Figur.
Bezogen auf Menschen ist unter ‚Charakterisierung’ eine Summe typischer psychischer
Eigenschaften zu verstehen, beschreibbar unter charakterpsychologischen Stichworten
wie z.B. ‚extrovertiert’. Diese umgangssprachliche Verwendung von ‚Charakterisierung’
ist für erzähltheoretische Zwecke nur beschränkt brauchbar, da nicht-psychische Merkmale
so unberücksichtigt bleiben.
Aus diesem Grund sollen alle diejenigen figurenbezogenen Tatsachen als Teil der Charakterisierung
gelten, die - bezogen auf den Zeitverlauf der erzählten Welt - stabil bleiben. Angaben
über die räumliche Position von Figuren gehören dann meistens nicht zur Charakterisierung,
aber z.B. im Mythos von Atlas, der im äußersten Westen das Himmelsgewölbe tragen muss,
ist diese Ortsangabe Teil der Charakterisierung.
Die Entscheidung ob eine figurenbezogene Tatsache als stabil oder nicht angesehen
wird, hängt nicht nur vom Text, sondern auch von historischem, kulturellem Wissen
ab. In Bezug auf Figuren gibt es drei besonders wichtige Typen von historischem, kulturellem
Wissen:
Eine fruchtbare Beschreibung einer Figur ist also mechanisch aus dem Text allein kaum
zu erstellen, da historisches Wissen eine wesentliche Rolle schon für die Schlussfolgerungsprozesse
spielt, die die Fakten in der erzählten Welt konstituieren - ganz zu schweigen von
darüber hinausgehenden Bedeutungszuweisungen.
© Fotis Jannidis, Uwe Spörl, Katrin Fischer / Letzte inhaltliche Änderung am: 19.10.2005
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Tatsachen, die zur Charakterisierung einer Figur in der erzählten Welt beitragen
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