Zu Analyse und Interpretation von Lyrik
Literarische Texte sind – im Vergleich mit alltagssprachlicher Kommunikation – überstrukturiert
und semantisch überdeterminiert, d. h. sie zeichnen sich durch einen besonders hohen
Informationsgehalt bezogen auf die Menge der (informierenden) Zeichen aus. Dies gilt
insbesondere für lyrische Texte, deren Charakteristika allgemein – wenn auch für verschiedene
lyrische Formen in unterschiedlich starkem Maße – in ihrer hohen sprachlichen Verdichtung
und Ökonomie, ihrer Konzentration formaler Elemente auf eng begrenztem Raum gesehen
werden. Für derart organisierte Texte ist in besonderer Weise eine doppelte Referenz
ihrer sprachlichen Zeichen bzw. des Gesamttextes (als Komplex von Sprachzeichen) charakteristisch:
Sie verweisen auf etwas Anderes – auf Gegenstände, Personen, Sachverhalte etc. – und
sie verweisen auf sich selbst – auf ihre eigene sprachliche Materialität und die spezifische
Organisation (‚Strukturiertheit‘) des Textes (das ist ihre – so Roman Jakobson – „poetische
Funktion“). Für diese ‚doppelte Referenz‘ werden oft die Begriffe ‚Inhalt‘ (‚Was wird
gesagt?’)und ‚Form‘ (‚Wie wird etwas gesagt?’) gebraucht. Inhalt und Form literarischer
Texte sind jedoch nicht ‚sauber‘ voneinander zu trennen. Was gesagt wird, ist auch
dadurch bestimmt, wie es gesagt wird (vgl. weiter unten den Anhang, 1.) Anders formuliert:
das Ausgesagte/Dargestellte und die Sprachlichkeit des Aussagens/der Darbietung (vgl.
Anhang, 2.) sind nur zu heuristischen Zwecken (um Erkenntnis zu ermöglichen) voneinander
zu trennen.
Texte der Lyrik sind vielfach (nicht aber grundsätzlich) dadurch gekennzeichnet, dass
für sie in nachhaltiger Weise das ‚Verweisen auf sich selbst‘ (auf ihre sprachlich-materielle
Erscheinung und ihre besondere Strukturiertheit) für das Zuschreiben von Bedeutung,
für Textanalyse und Interpretation, berücksichtigt werden muss. Das nachstehend beschriebene
Verfahren ‚zerlegt‘ den Text zu heuristischen Zwecken in unterschiedliche Ebenen,
um in einem differenzierten Spektrum nicht zuletzt die Aspekte der ‚Selbstreferentialität‘
von Lyrik-Texten beschreiben und analysieren zu können.
© Hamburg / Letzte inhaltliche Änderung am: 29.12.2005
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Zu Analyse und Interpretation von Lyrik
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