Textbeispiel:
Erstes Kapitel
Solange der Mensch auf seiner Erde Geschichten hört oder dergleichen selber erzählt,
teilt er sie gewöhnlich ein in solche, die gut anfangen und böse endigen, und solche,
die schlimm beginnen, aber zu einem wünschenswerten Ende kommen. Darüber wäre nun
manches zu sagen; denn so recht begriffen und ausgerechnet hat eigentlich noch keiner,
wo bei den Geschichten dieser Erde der Anfang und wo das Ende ist, wo das Wünschenswerte
beginnt und das Gegenteil davon endet, oder umgekehrt. Ich für mein Teil hüte mich
wohl, mich hierüber des weitern auszulassen, ich halte mich einfach an des Menschen
uralt hergebrachte Anordnung und Abfachung seiner Erlebnisse und seiner Schicksale
und verkünde
nur, zu eigener Erleichterung tief aufatmend, daß vorliegende Geschichte nach menschlichem
Ermessen ziemlich gut ausgeht. Es war, um mitten in der unruhvollen Wirklichkeit im
altgewohnten Märchenton zu beginnen, an einem trüben Sonntagmorgen im Spätherbst noch
vor dem Kirchenglockengeläut.
Wilhelm Raabe: Im alten Eisen (Beginn)
Erläuterung:
Hier wird eindeutig im narrativen Modus erzählt. Erkennbar wird das gleich zu Beginn,
indem nämlich nicht eine Handlung oder die Beschreibung eines Schauplatzes an erster
Stelle steht, sondern eine Reflexion über verschieden Arten von Geschichten. Der Erzähler
ist dadurch stark präsent und spricht ja dann auch im dritten Satz in der ersten Person
von sich. Selbst als die Geschichte mit dem letzten Satz beginnt, ist dies von einem
Kommentar des Erzählers - „um mitten in der unruhvollen Wirklichkeit im altgewohnten
Märchenton zu beginnen“ - begleitet.