Authentizitätspostulat: Forderung nach möglichst realer Gestaltung und Präsentation der Handlung, um die größtmögliche
Realitätsillusion zu erzeugen.
Das Authentizitätspostulat geht auf die aristotelische Beschreibung von Theater als
Nachahmung (Mimesis) einer wahrscheinlichen Handlung zurück und richtet sich an Dichter,
Schauspieler und Inszenierung gleichermaßen. Im Zuge der Aufklärung und der damit
einhergehenden Forderung nach Rationalität trat an das Theater der Anspruch heran,
so gut als möglich ‚Realität’ auf die Bühne zu stellen, was aber nicht den Realismus
des 19. Jh.s meint, sondern psychologische Motivation der Figuren, Abkehr von rhetorischen
Stilmitteln, größtmögliche Nähe von gespielter und Spielzeit, etc. Die Illusionswirkung
des Theaters wird, in Anlehnung an die Diskussion der Ästhetik und im Anschluss an
französische Positionen, in den Theorien Lessings, Mendelssohns und Schillers reflektiert,
wo sie vor allem unter der Perspektive der Wirkung auf den Zuschauer behandelt wird.
Der Dichter hatte seinen Stoff so zu gestalten, dass ein rationaler und emotionaler
Nachvollzug der Handlung möglich war. Dazu gehört einerseits der dramaturgisch logische
Aufbau der Handlung, der sowohl Motivationen als auch zeitliche Zusammenhänge in richtiger
Reihenfolge deutlich zeigt. Die Präsentation des Stückes durch die Schauspieler sollte
frei sein von barocken Gesten und entsprechend ‚natürlich’ wirken, was auch gegen
Szenenapplaus etwa nach Monologen gerichtet war. Damit sollte erreicht werden, dass
dem Zuschauer so wenig wie möglich bewusst werden sollte, dass er einem Schauspiel
beiwohnte und nicht einer ‚realen’ Handlung. Erst nach der Vorstellung wollte man
ein Illusinsbewusstsein und damit wieder die Vernunft in Kraft treten lassen. Nur
so glaubte man die von Aristoteles geforderte Wirkung des Dramas, die Katharsis, bewerkstelligen
zu können.
Formulieren Sie, welche Ansprüche das Authentizitätspostulat an den Dichter stellt
hinsichtlich der Kategorien Raum, Zeit und Figuren. Beachten Sie dabei sowohl die Seite der Handlung als auch die der Aufführung.
Ihre Formulierung:
Musterlösung:
Raum: realistisch, evtl. ‚realer’ Schauplatz, eng begrenzt, ggf. sogar nur ein Raum/Zimmer;
Ausstattung historisch angemessen;
Zeit: knapp bemessen, Handlungszeitraum und Spieldauer des Dramas sollten so ähnlich
wie möglich sein, d.h. die Dauer der dargestellten Handlung so zu einer Spieldauer
verkürzt, dass keine größeren Zeitsprünge zur Illusionsbrechung führen;
Figuren: psychologisch wahrscheinlich gezeichnet, beinahe ‚realistisch’ handelnd,
Sprache wenig rhetorisiert; psychologisch-realisitisches, nur wenig überzeichnetes
Agieren und Sprechen der Schauspieler, adäquate Gesten.