Erläuterung:
Friedrich Schiller verwendet den Chor nur in einem seiner Dramen, der
Braut von Messina. Was er mit ihm
bezweckt, legt er in der Vorrede „Über den Gebrauch des Chores“ dar. Dort heißt
es unter anderem: „So wie der Chor in die Sprache Leben bringt, so bringt er Ruhe in die Handlung – aber die
schöne und hohe Ruhe, die der Charakter
eines edeln Kunstwerkes sein muß. […] Chöre kennt man zwar auch schon in der
modernen Tragödie, aber der Chor des antiken Trauerspiels, so wie ich ihn hier
gebraucht habe, der Chor als eine einzige ideale Person, die die ganze Handlung
trägt und begleitet, […]. Ich habe den Chor zwar in zwei Teile getrennt und im
Streit mit sich selbst dargestellt; aber dies ist nur dann der Fall, wo er als
wirkliche Person und als blinde Menge mithandelt. Als Chor und als ideale Person ist er immer eins mit sich
selbst.“
Nachdem Don Caesar den Entschluss zu Selbstmord als Sühne für seinen
Brudermord gefällt hat, spricht er mit dem Chor:
Textbeispiel:
CHOR: Beschließe nichts gewaltsam Blutige, o Herr,
Wider dich selber wütend mit Verzweiflungstat:
Denn auf der Welt lebt niemand, der dich strafen
kann,
Und fromme Büßung kauft den Zorn des Himmels ab.
DON CAESAR: Nicht auf der Welt lebt, wer mich richtend strafen
kann,
Drum muß ich selber an mir selber es vollziehn.
Bußfertige Sühne, weiß ich, nimmt der Himmel an,
Doch nur mit Blute büßt sich ab der blutge Mord.
CHOR: Des Jammers Fluten, die auf dieses Haus
gestürmt,
Ziemt dir zu brechen, nicht zu häufen Leid auf Leid.
DON CAESAR: Den alten Fluch des Hauses lös ich sterbend
auf,
Der freie Tod nur bricht die Kette des Geschicks.
CHOR: Zum Herrn bist du dich schuldig dem verwaisten
Land,
Weil du des andern Herrscherhauptes uns beraubt.
DON CAESAR: Zuerst den Todesgöttern zahl ich meine
Schuld,
Ein andrer Gott mag sorgen für die Lebenden.
CHOR: Soweit die Sonne leuchtet, ist die Hoffnung
auch,
Nur von dem Tod gewinnt sich nichts! Bedenk es wohl.
Don CAESAR: Du selbst bedenke schweigend deine
Dienerpflicht,
Mich laß dem Geist gehorchen, der mich furchtbar
treibt,
Denn in das Innre kann kein Glücklicher mir schaun.
[…]
Friedrich Schiller: Braut von Messina