Mystik

Mit der literarischen Mystik entfaltete sich eine geradezu häretische lyrische Bewegung, welche die Tendenzen der religiösen Mystik aufgriff, die ihre Wurzeln im Spätmittelalter hatte. Sie fand ihren frühen Programmatiker in Jacob Böhme, der in Schriften wie Morgenrot (1612) und Die Beschreibung der drei Prinzipien göttlichen Wesens (1619) das Programm einer orthodoxiefeindlichen Mystik entfaltete. Seine Weltsicht war von der »pantheistischen« Vorstellung einer gottgegebenen Allbelebtheit der Natur geprägt, in der sich der Mensch als integrierender Bestandteil einfügt. Zudem propagierte er die Idee einer auf Adam zurückgehenden Ursprache, in der sich nicht nur die Menschen, sondern auch die natürlichen Dinge ausdrücken und mit der sich ein unmittelbarer Zugang zu den Geheimnissen Gottes und der Welt finden lassen sollte.
Die Mystik stand stets im Schatten des Hauptstroms der rhetorisch-rationalistischen Literatur und wurde schnell aus der Literaturgeschichte des 17. Jahrhunderts verdrängt, weil ihr eine feste institutionelle Form fehlte und sie nur von isolierten Autoren repräsentiert wurde. Zu ihren frühen Vertretern zählten Friedrich Spee von Langenfeld mit seinem Werk Cautio Criminalis und seiner Gedichtsammlung Trvtz Nachtigal sowie Angelus Silesius mit seiner Epigrammsammlung Der cherubinische Wandersmann. Ihren Höhepunkt fand die mystische Lyrik dann schließlich in den Gedichten von Christian Knorr von Rosenrath und Catharina von Greiffenberg. Bei der Grundidee der Mystik handelte es sich um die unio mystica, also die ekstatische Vereinigung von Gott und Mensch, die sich sprachlich zwar nicht ausdrücken lässt, aber dennoch ausgedrückt werden soll. Hierzu wurden vor allem das Paradox, die Antithese, eine ausgedehnte Körpermetaphorik sowie Metaphern des Fließens genutzt.
Wie schon im Mittelalter wurde die Mystik auch während der Barockzeit im Wesentlichen von Frauen getragen. Als interessanteste und abseitigste Figur unter den Mystikern sticht jedoch Quirinus Kuhlmann hervor. Bei ihm wurde Böhmes Sprachmystik zur Grundlage einer allgemeinen Weltdeutung und in seinem Hauptwerk Kühlpsalter präsentierte er ein Weltbild, in dem alles mit allem verknüpft ist.
Vgl. Brenner: Neue deutsche Literaturgeschichte, S. 32-34.

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