Reglementierungsdrang und Normierungsbedarf

Das dominierende Kennzeichen der Barockliteratur ist ihr Drang zur Reglementierung, wobei das Zusammenspiel von Regel und Abweichung eine auffällige Eigenheit ihrer Entwicklung blieb. Eine tragende Rolle spielte dabei insbesondere Martin Opitz mit seiner Regelpoetik.
Zudem hatten auch »Sprachgesellschaften« wie die 1617 in Weimar gegründete »Fruchtbringende Gesellschaft« eine sprach- und literaturnormierende Aufgabe sowie eine soziale Funktion. Ihr Hauptziel galt zwar der Pflege der deutschen Muttersprache, daneben verfolgten sie aber auch soziale und ethische Ziele im Sinne einer Rehabilitation altdeutscher Tugenden sowie einer Neuregulierung der Sitten. In Zusammenarbeit mit der »Fruchtbringenden Gesellschaft« versuchte Kaspar Stieler in seinem Wörterbuch Der teutschen Sprache Stammbaum und Fortwachs (1691) eine Bestandsaufnahme des deutschen Wortschatzes in lexikalisch und grammatisch normierender Absicht.
Dieser Normierungsbedarf entsprang nicht den spezifischen Bedürfnissen der Literatur, sondern er war Teil eines viel umfassenderen historischen Prozesses, nämlich der Entstehung des »frühneuzeitlichen Staates«, der letztendlich im Absolutismus mündete. Dieser gründete auf einer Reglementierung, Normierung und Uniformierung aller Lebensäußerungen.
Auf einer weiteren Ebene erfüllten die Schulen die Funktion der Reglementierung von Lebensformen. Sie wirkten durch die Vermittlung traditioneller sachlicher Inhalte sowie konfessionalisierter moralischer Lehren und übten gleichzeitig eine disziplinierende Wirkung aus. Neben den Höfen wurden die Gelehrtenschulen mit ihrem bewusstseins- und verhaltensnormierenden Einsatz von Literatur, insbesondere des Dramas, zum zweiten Zentrum der literarischen Entwicklung. Das Volksschulwesen stand hingegen noch am Anfang und setzte sich nur zögernd durch – somit konnte durch den Volksschulunterricht auch kein neues Lesepublikum geschaffen werden.
Vgl. Brenner: Neue deutsche Literaturgeschichte, S. 25, 27f.

|
Reglementierungsdrang/Normierungsbedarf
|
|
|
|