Prosaroman in der Frühen Neuzeit

Die Wahl einer kunstlosen Prosaform und die Zentrierung der Handlung um einen Protagonisten bildeten die ersten wesentlichen Merkmale des deutschen Romans. Wegweisend für seine Entwicklung war Jörg Wickram, der den mittelalterlichen höfischen Roman in einen neuzeitlich-bürgerlichen Prosaroman transformierte. Seine Romane Ritter Galmy und Der Goldfaden (Mitte des 16. Jahrhunderts) entwarfen einen Kosmos bürgerlicher Wertvorstellungen und Lebensformen, wobei die Idee des sozialen Aufstiegs bürgerlicher Figuren thematisch im Vordergrund stand.
Ein Dokument des Übergangs von der lateinisch-humanistischen Tradition zu den neuen Stoffen und Formen der volkssprachlichen Literatur war Das Glückhafft Schiff von Zürich (1576) von Johann Fischart. Seine Geschichtklitterung (1575) war wiederum ein Versuch, der großen Prosaform des Romans einen eigenen Rang als artifizielles Kunstwerk zu verschaffen. Vordergründig handelte es sich um eine Übersetzung des Romans Gargantua et Pantagruel von François Rabelais, der einen Meilenstein in der Entwicklung der europäischen Prosa gesetzt hatte. Bei Fischart wurde jedoch die Welthaltikgeit von Rabelais‘ Roman, der sich präzise auf die zeitgenössische Wirklichkeit bezog, weitgehend zurückgedrängt. Der Roman stellte ein intertextuelles Experiment mit den Möglichkeiten der Sprache und den Formen der Literatur dar. Tonal entfernte er sich vom Optimismus seines Zeitalters und entwarf stattdessen ein düsteres Menschen- und Weltbild, mit dem Fischart versuchte, die verwirrte Welt seiner Gegenwart abzubilden.
Vgl. Brenner: Neue deutsche Literaturgeschichte, S. 23f.

|
|
|
|
Prosaroman
|