Silbenprominenz

Silbenprominenz: Eine der vier
Verskonstituenten
Verskonstituenten
Sprachliche Einheiten bzw. Größen, die für den Bau von Versen relevant sind.
. Für Verse bedeutsame Differenzierung der Silben in prominente (schwere) und nicht-prominente (leichte).
In der deutschen Dichtung beruht die Silbenprominenz auf der relativen Akzentstärke; in anderen Sprachen sind dagegen die Silbenlänge (z.B. Altgriechisch, Latein), der Tonverlauf (z.B. Chinesisch) oder die Tonhöhe (z.B. nigerianisches Efik) ausschlaggebend (vgl. Jakobson 2007a, S. 174-176). Für die Bestimmung prominenter (bzw. schwerer) Silben im Deutschen hat Christian Wagenknecht folgende Regel formuliert (Wagenknecht 1993, S. 31):
Im prosodischen Sinne schwer ist eine Silbe dann, wenn sie schwerer, und leicht, wenn sie leichter ist als im Schnitt die Silben ihrer unmittelbaren Nachbarschaft.
Daraus ergibt sich folgender Algorithmus: Man addiert die Schweregrade der zwei benachbarten Silben, teilt die Summe durch 2 und vergleicht sie mit dem Schweregrad der interessierenden Silbe
Für die Bestimmung des Schweregrades der einzelnen Silben ist es sinnvoll, zunächst vom Wortakzent auszugehen und in einem zweiten Schritt übergreifende Akzente (z.B. syntaktische, kontrastive oder emphatische Akzente) zu berücksichtigen. Ausgehend von Christian Wagenknechts Vorschlag (Wagenknecht 1993, S. 31f.) bietet sich die folgende Faustregel für die Ermittlung des Wortakzents an (Donat 2006, S. 12-14):
Erläuterung:
Das Vorgehen zur Bestimmung der Silbenprominenz wird anhand des Beginns von Goethes Gedicht Lesebuch demonstriert:
Textbeispiel:
Wunderlichstes Buch der Bücher
Ist das Buch der Liebe;
Johann Wolfgang von Goethe: Lesebuch
Erläuterung:
Silbe Kategorie Schweregrad
Wun- 4a 4
der- 1 1
lich- 2c 2
stes 1 1
Buch 4a 4
der 2b 2
Bü- 4a 4
cher 1 1
ist 3b 3
das 2b 2
Buch 4a 4
der 2b 2
Lie- 4a 4
be 1 1
Zur Veranschaulichung: rechnerische Bestimmung der Silbenprominenz für die zweite und die vorletzte Silbe des ersten Verses:
Im Textbeispiel liegt kein auffälliger wortübergreifender Akzent vor. Damit ergibt sich bei konsequenter Anwendung der Prozedur für die beiden Verse folgender Rhythmus als Abfolge prominenter und nicht-prominenter Silben:
X x X x X x X x
X x X x X x

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