Contextual Frames: Begriff von Catherine Emmott (Catherine Emmott 1997, S. 132). Bezeichnet eine Sinnstruktur,
die durch eine örtliche (wer und was ist an diesem Ort anwesend?), eine zeitliche
und durch eine relativ freie episodische Komponente (was ist an dem Ort geschehen)
gebildet wird. Dieses Geschehen kann wiederum durch typische Handlungsabläufe (scripts),
z.B. Restaurantbesuch, und zusammengehörige Informationssets (frames), z.B. Wirtshaus,
organisiert sein, und in nicht-situativem Text wird u.a. Information solcher Art präsentiert.
Eine Veränderung des Rahmens kann etwa durch das Abgehen oder Auftreten von Figuren geschehen oder durch andere
Modifikationen. Ein Wechsel des Rahmens wird vollzogen, wenn die Aufmerksamkeit des Lesers auf einen anderen Rahmen gelenkt
wird, und eine Rückkehr zum Rahmen, wenn zu einem späteren Zeitpunkt ein Rahmen wieder aktiviert wird. Annahmen über
Kontinuitäten und Veränderungen in den Rahmen zwischen Wechsel und Rückkehr basieren
auf den Regeln der fiktionalen Welt.
Die Rückkehr zum Rahmen kann bereits durch die Benennung einer Figur geschehen, die
an früherer Stelle des Textes an den ahmen gebunden wurde. Innerhalb eines kontextuellen
Rahmens können mehrere Figuren aktiv sein, aber zumeist sind nur eine oder zwei fokussiert,
d.h. die Aufmerksamkeit des Lesers wird auf sie gelenkt.
Die Schwester bediente das Telefon und sprach genau wie eine Schallplatte der Post:
„Bedauere, es ist nichts frei. Bedauere, es ist kein Bett frei.“ Monoton, gleichgültig,
mechanisch, fertigte die Schwester die unsichtbaren Hilfesuchenden ab. Die Betten
dieser Klinik schienen sehr begehrt zu sein
Josef schlief. Er war im Sitzen eingeschlafen. Er war im Sitzen auf der Tribüne des
Stadions eingeschlafen […]
Wolfgang Koeppen: Tauben im Gras
Erläuterung:
In diesem typischen Beispiel für Koeppens Montagetechnik in Tauben im Gras, wird der contextual frame von einem zum anderen Abschnitt gewechselt. Trotz der
Kontinuität des Themas ‚Schlafen’ weiß der Leser sehr schnell, dass hier ein anderer
Rahmen aufgerufen wird. Das Wort ‚Schwester’ aus dem ersten Abschnitt, ruft den Ort
‚Krankenhaus’ hervor, ebenso wie die Betten der Klinik. Durch das Wort ‚Stadion’,
also durch die örtliche Komponente, wird dann ein Wechsel des Rahmens signalisiert.
Situativer Text (framed text): Text der auf einen kontextuellen Rahmen bezogen ist, d.h. die Sätze sind auf Ereignisse
bezogen, die zu einem spezifischen Zeitpunkt und an einem spezifischen Ort geschehen,
und beschreiben nicht wiederholte oder verallgemeinerte Ereignisse.
Der Leser kann also aus dem Text schlussfolgern, dass die Sätze auf dieselbe Situation
mit Kontinuität von Zeit und Raum bezogen sind und dass die verdeckten Figuren weiterhin
Teil des Rahmens sind. Nicht-situativer Text, also Text, der nicht auf keinen kontextuellen
Rahmen verweist, ist nicht auf eine spezifische raumzeitlich fixierte Situation bezogen,
sondern auf Verallgemeinerungen, Wiederholungen oder Ähnliches.
Ein Wechsel des Rahmens wird zumeist durch typographische Signale markiert,
z.B. Kapitelgrenzen, Leerzeilen, Sternchen zwischen Textteilen, Bindestriche im
Text, Schriftwechsel usw. Sehr viel weniger deutlich markiert ist dagegen der Wechsel
zwischen situativem und nicht-situativem Text, ja dieser Wechsel kann mitten im
Satz erfolgen.
Im Fortunatus wird berichtet, wie der Protagonist und sein Diener
beschließen, einer dem heiligen Patricius geweihten Höhle einen Besuch abzustatten:
Textbeispiel:
VNd also morgenns frue giengen sy bayd vnd beychteten vnd entpfiengen das hailig
sacrament / wann die hüle ist geweycht vonn sannt Patricius / wer ain nacht darinnen
ist / der hatt ablaßs aller seiner sünd / darumb haißt man die leüt beichten die darein
wellen / vnd schloß man yn die thüre der hüle auff / die ist hynder dem fronaltar
in
dem closter / da geet man dareyn wie in ainen keler / vnd so bald ainer hynein
kommpt / so geben die priester ainem den segen vnd beschliessen die thür / thuond
nit wider auff biß morgenns vmb die zeitt so man dareyn gangen ist. Als sy nun in
die hüle kamen / vnnd tueff hinab gangen waren / kamen sy auf ain ebne [...].
: Fortunatus
Erläuterung:
Der Abschnitt beginnt als situativer Text. Die Beschreibung, wo die Türe zur Höhle
zu finden ist, bildet den Übergang zum nicht-situativen Text. Eine Ortsbeschreibung
enthält ja oft zahlreiche Merkmale, die nicht nur für den beschriebenen Zeitpunkt
gültig sind, aber zumeist bleibt sie im Tempus der Handlung, hier aber wechselt der
Text zum Präsens. In dem Teilsatz „da geet man dareyn wie in ainen keler“ signalisiert
zusätzlich das ‚man’ die Allgemeingültigkeit des Beschriebenen. Der Text informiert
also über das in diesem situativen Rahmen gültige Skript und damit die Folie, auf
der das im nachfolgenden geschilderte Verhalten von Fortunatus und seinem Diener zu
sehen ist. Bei der Rückkehr zum situativen Rahmen („Als sy nun in die hüle kamen“)
wird mit Personalpronomina auf die Figuren verwiesen. Das kann wohl als Indiz dafür
gesehen werden, wie deutlich die Differenz zwischen situativem Text und nicht-situativem
Text eingeschätzt wird, da die Möglichkeit einer Verwechslung mit dem letzten möglichen
Referenten („die priester“) nicht durch eine andere Benennung vermieden wird.