Figurenmodell: Gestaltförmige Konfigurationen von Figureninformationen, z.B. der Melancholiker oder
die Extrovertierte.
Der Begriff des ‚Figurenmodells’ ersetzt den älteren Begriff des ‚Typus’.
Das Wissen über einen bestimmten Typ von Personen und Figuren stammt aus der Lebenswelt,
aus den zahlreichen nicht-fiktionalen Diskursen, z.B. Theologie, Anthropologie, Psychologie,
Psychiatrie, oder dem Wissen über fiktionale Welten, erzeugt durch Literatur, Theater,
Film, Computerspiel, Comic usw. Vorlagen für Figuren sind zumeist andere Figuren,
teilweise aus typisierten Handlungsstrukturen, z.B. der Vertraute (Confidente) oder
der Intrigant (vor allem im Drama), der Sonderling, der verrückte Wissenschaftler
(‚mad scientist’) oder die femme fatale.[1]
Im Falle von Personen ist der Habitus Quelle solcher Typisierungen, aber auch sozialer
Stereotype, wie sie etwa in der gender- und der Antisemitismus-Forschung aufgearbeitet
werden.
Die Alte hatte sich nur so freundlich angestellt, sie war aber eine böse Hexe, die
den Kindern auflauerte, und hatte das Brothäuslein bloß gebaut, um sie herbeizulocken.
Wenn eins in ihre Gewalt kam, so machte sie es tot, kochte es und aß es, und das war
ihr ein Festtag.
Jakob und Wilhelm Grimm: Kinder- und Hausmärchen
Erläuterung:
An dieser Stelle des Märchens wird sehr explizit das Figurenmodell der ‚bösen Hexe’
aufgerufen.
[1] Die historische Forschung zu den verschiedenen Typen, die sich in der europäischen
Literatur finden lassen, ist ausgesprochen umfangreich, vgl. etwa die entsprechenden
Einträge bei Frenzel (1992) mit weiterführender Literatur, z.B. der ‚verliebte Affe’,
‚Der überlegene Bediente’, ‚Der Menschenfeind’ usw. Zurück