Exposition

Exposition: Die Exposition vermittelt, idealtypisch am Anfang des Dramas, vor dem ersten situationsverändernden Handlungsmoment, das Wissen um die in der Vergangenheit liegenden und die Gegenwart bestimmenden Voraussetzungen und Gegebenheiten, auf denen die folgende konflikthafte Handlung beruht.
Die Exposition dient vor allem dazu, die Zuschauer über die Konstellationen und Grundlagen zu informieren, die in der weiteren Dramenhandlung konflikthaft entwickelt werden. In ihrer primär informativ-referentiellen Funktion bedingt sie die Figuren, Informationen zu geben, über die diese selbstverständlich verfügen, die für die Zuschauer aber zum Verständnis der Handlung wichtig sind. Entsprechend können diese Informationen in der Rede der Figuren enthalten sein (z.B. Anrede als ‚mein Vater’ als Hinweis auf ein Verwandtschaftsverhältnis) oder indirekt gegeben werden (z.B. durch den Symbolwert bestimmter Gesten und Gegenstände, oder durch die Situation selbst).
Ursprünglich kommt der Begriff aus der Rhetorik, wo die Expositio die Darlegung des Sachverhalts vor der Argumentation bezeichnet. In den Kontext des Dramen-Diskurses in Deutschland tritt der Begriff mit dem Briefwechsel von G.E. Lessing, M. Mendelssohn und F. Nicolai, obwohl die Sache schon länger diskutiert wurde.
Aristoteles fordert von der Handlung, dass sie am Anfang beginne, damit kommt der Exposition die Vermittlung der basalen Information über Personal und Konstellationen zu. In der französischen Klassik fordert Corneille, dass nach dem ersten
Akt
Akt
Dominierende Gliederungseinheit im Drama, welche räumliche und inhaltliche Strukturierung gewährleistet. Der Akt lässt sich weiter untergliedern in Szenen oder Auftritte.
keine weiteren Figuren mehr eingeführt werden sollen, d.h. die Anlage des Konflikts soll im ersten Akt abgeschlossen werden, was diesem exponierenden Charakter verleiht. Andere Positionen stellen den ersten Akt der Exposition des
Protagonisten
Protagonist
Zentrale Figur des Dramas.
zur Verfügung und präsentieren im zweiten den
Antagonisten
Antagonist
Gegenspieler des Protagonisten, als Kontrast gegen diesen konzipiert und ihm in der Figurenkonstellation gegenübergestellt.
.
Im späten 19. und 20. Jh. wird der Begriff mehr und mehr umstritten, einerseits, weil es Dramen gibt, die erst im Laufe der Handlung die ursprünglichen Ausgangspositionen erklären (z.B. Shakespeare ‚The Tempest’), andererseits weil die klassische Form des Aufbaus schon größtenteils suspendiert worden ist (z.B. im Einakter oder Stationendrama).
In der Dramenanalyse ist der Begriff heute zudem umstritten, da man, wenn man von der reinen Funktion der Informationsvermittlung ausgeht, immer wieder ‚exponierende’ Stellen im Text finden kann, die nicht notwendigerweise am Beginn des Dramas stehen müssen.
Textbeispiel:
Die Szene: ein Kabinett des Prinzen.
Erster Auftritt
Der Prinz(an einem Arbeitstische voller Briefschaften und Papiere, deren einige er durchläuft).
Klagen, nichts als Klagen! Bittschriften, nichts als Bittschriften! - Die traurigen Geschäfte; und man beneidet uns noch! - Das glaub ich; wenn wir allen helfen könnten: dann wären wir zu beneiden. - Emilia? (Indem er noch eine von den Bittschriften aufschlägt und nach dem unterschriebenen Namen sieht.) Eine Emilia? - Aber eine Emilia Bruneschi - nicht Galotti. Nicht Emilia Galotti! - Was will sie, diese Emilia Bruneschi? (Er lieset.) Viel gefodert, sehr viel. - Doch sie heißt Emilia. Gewährt! (Er unterschreibt und klingelt, worauf ein Kammerdiener hereintritt.) Es ist wohl noch keiner von den Räten in dem Vorzimmer?
Der Kammerdiener. Nein.
Der Prinz. Ich habe zu früh Tag gemacht. - Der Morgen ist so schön. Ich will ausfahren. Marchese Marinelli soll mich begleiten. Laßt ihn rufen. (Der Kammerdiener geht ab.) - Ich kann doch nicht mehr arbeiten. - Ich war so ruhig, bild ich mir ein, so ruhig - Auf einmal muß eine arme Bruneschi Emilia heißen: - weg ist meine Ruhe, und alles! -
Der Kammerdiener(welcher wieder hereintritt). Nach dem Marchese ist geschickt. Und hier, ein Brief von der Gräfin Orsina.
Der Prinz. Der Orsina? Legt ihn hin.
Der Kammerdiener. Ihr Läufer wartet.
Der Prinz. Ich will die Antwort senden; wenn es einer bedarf. - Wo ist sie? In der Stadt? oder auf ihrer Villa?
Der Kammerdiener. Sie ist gestern in die Stadt gekommen.
Der Prinz. Desto schlimmer - besser, wollt' ich sagen. So braucht der Läufer um so weniger zu warten. (Der Kammerdiener geht ab.) Meine teure Gräfin! (Bitter, indem er den Brief in die Hand nimmt) So gut, als gelesen! (und ihn wieder wegwirft.) - Nun ja; ich habe sie zu lieben geglaubt! Was glaubt man nicht alles? Kann sein, ich habe sie auch wirklich geliebt. Aber - ich habe!
Der Kammerdiener(der nochmals hereintritt). Der Maler Conti will die Gnade haben - -
Der Prinz. Conti? Recht wohl; laßt ihn hereinkommen. - Das wird mir andere Gedanken in den Kopf bringen. (Steht auf.)
Gotthold Ephraim Lessing: Emilia Galotti
Erläuterung:
Der Prinz wird als Herrscher vorgestellt, der am Arbeitstich die Petitionen seiner Untertanen durchsieht. Dabei wird ein absolutistisches Moment deutlich, da er einerseits frei und willkürlich entscheiden kann („sie heißt Emilia. Gewährt!“), andererseits aber auch ein Stab da ist, der ggf. die Arbeit (zumindest teilweise) übernimmt (Räte). Schon an der positiven Entscheidung im Fall Emilia Bruneschi wird die launische Sprunghaftigkeit des Prinzen sichtbar, der anscheinend in Emilia Galotti verliebt ist. Aber auch an dem raschen Entschluss, nur eines Namens wegen die noch kaum begonnene Arbeit abzubrechen, zeigt sich der Charakter des Prinzen, der die politische Rolle mit privaten Gefühlen vermischt. Er hatte mit der Gräfin Orsina eine Geliebte, die er nicht mehr liebt, obwohl sie sich noch um ihn bemüht.
Fragestellung:
Goethe: Iphigenie – Eingangsmonolog: Entnehmen Sie dem Text alle exponierenden Informationen und versuchen Sie so, die Ausgangssituation des Dramas zu beschreiben.
Textbeispiel:
IPHIGENIE:
Heraus in eure Schatten, rege Wipfel
Des alten, heil'gen, dichtbelaubten Haines,
Wie in der Göttin stilles Heiligtum,
Tret ich noch jetzt mit schauderndem Gefühl,
Als wenn ich sie zum erstenmal beträte,
Und es gewöhnt sich nicht mein Geist hierher.
So manches Jahr bewahrt mich hier verborgen
Ein hoher Wille, dem ich mich ergebe;
Doch immer bin ich, wie im ersten, fremd.
Denn ach! mich trennt das Meer von den Geliebten,
Und an dem Ufer steh ich lange Tage,
Das Land der Griechen mit der Seele suchend;
Und gegen meine Seufzer bringt die Welle
Nur dumpfe Töne brausend mir herüber.
Weh dem, der fern von Eltern und Geschwistern
Ein einsam Leben führt! Ihm zehrt der Gram
Das nächste Glück vor seinen Lippen weg,
Ihm schwärmen abwärts immer die Gedanken
Nach seines Vaters Hallen, wo die Sonne
Zuerst den Himmel vor ihm aufschloß, wo
Sich Mitgeborne spielend fest und fester
Mit sanften Banden aneinanderknüpften.
Ich rechte mit den Göttern nicht; allein
Der Frauen Zustand ist beklagenswert.
Zu Haus und in dem Kriege herrscht der Mann,
Und in der Fremde weiß er sich zu helfen.
Ihn freuet der Besitz; ihn krönt der Sieg!
Ein ehrenvoller Tod ist ihm bereitet.
Wie eng-gebunden ist des Weibes Glück!
Schon einem rauhen Gatten zu gehorchen
Ist Pflicht und Trost; wie elend, wenn sie gar
Ein feindlich Schicksal in die Ferne treibt!
So hält mich Thoas hier, ein edler Mann,
In ernsten, heil'gen Sklavenbanden fest.
O wie beschämt gesteh ich, daß ich dir
Mit stillem Widerwillen diene, Göttin,
Dir, meiner Retterin! Mein Leben sollte
Zu freiem Dienste dir gewidmet sein.
Auch hab ich stets auf dich gehofft und hoffe
Noch jetzt auf dich, Diana, die du mich,
Des größten Königes verstoßne Tochter,
In deinen heil'gen, sanften Arm genommen.
Ja, Tochter Zeus', wenn du den hohen Mann,
Den du, die Tochter fordernd, ängstigtest,
Wenn du den göttergleichen Agamemnon,
Der dir sein Liebstes zum Altare brachte,
Von Trojas umgewandten Mauern rühmlich
Nach seinem Vaterland zurückbegleitet,
Die Gattin ihm, Elektren und den Sohn,
Die schonen Schätze, wohl erhalten hast:
So gib auch mich den Meinen endlich wieder,
Und rette mich, die du vom Tod errettet,
Auch von dem Leben hier, dem zweiten Tod.
Johann Wolfgang von Goethe: Iphigenie auf Tauris
Ihre Formulierung:
Iphigenie ist also von der Göttin Diana auf die Insel entrückt worden, nachdem diese sie von ihrem Vater Agamemnon als Opfer gefordert hatte. Sie weiß nicht um das Schicksal ihrer Familie oder des griechischen Heeres, wird aber von Thoas auf der Insel festgehalten.

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