Lessing und das Drama (Theorie)

Zwischen 1759 und 1781 entwarf Lessing die Grundzüge eines neuen Literaturprogramms, mit dem er seine nachhaltigste Wirkung für die deutsche Literaturgeschichte erzielte. Seit 1759 veröffentlichte er in seiner Rolle als Literaturkritiker die Briefe die Neueste Literatur betreffend, in denen er ein Programm der Abwendung vom Gottschedischen Rationalismus in der Tragödie entwickelte. Diesen Ansatz führte er dann in seiner Hamburgischen Dramaturgie in den späten 1760er Jahren weiter. Lessing gründete, ebenso wie auch Gottsched, seine Dramentheorie auf Aristoteles. Dabei übersetzte er die beiden zentralen Begriffe der aristotelischen Wirkungsästhetik phobos und eleos mit »Furcht« und »Mitleid« und erklärte es zum unmittelbaren Ziel der Tragödie, diese Gefühle beim Zuschauer hervorzurufen. Wirklich interessiert war Lessing jedoch nur am Mitleid, das sich dadurch auszeichnete, dass es eine soziale Komponente enthielt, und das zum Gegenmodell der rationalistisch-höfischen Tugend stilisiert wurde.
Lessings zweiter Gewährsmann nach Aristoteles war Shakespeare, auf den er sich berief, um die klassizistische Dramentheorie bekämpfen zu können. Sein Hauptinteresse galt dabei der Gestaltung des Charakters, für die er eine Regel formulierte: der Held auf der Bühne musste dem Zuschauer entsprechen. Als Ideal galt dementsprechend der »gemischte Charakter«, der weder ganz gut noch ganz böse war - so wie das Theaterpublikum selbst. Denn nur wenn die Bühnenfiguren in ihrem Charakter dem Publikum entsprachen, konnten sich die Zuschauer einfühlen und die Bühnenschicksale als die potentiellen eigenen Schicksale erfahren, wodurch die Erzeugung von Furcht und Mitleid möglich wurde. Diese Idee des gemischten Charakters realisierte Lessing selbst am deutlichsten in seinem Stück Miß Sara Sampson.
Vgl. Brenner: Neue deutsche Literaturgeschichte, S. 80f.

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Lessing und das Drama (Theorie)
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