Johann Christoph Gottsched

Johann Christoph Gottsched war eine entscheidende Gelenkstelle bei der Umsetzung der philosophischen Ideen der Frühaufklärung in die Literaturgeschichte. In dem Gedicht An seinen Herrn Vater (1727) umriss er die Grundzüge seines schriftstellerischen Selbstbewusstseins, das sich nicht durch adligen Rang oder finanzielle Sicherheit, sondern durch den sozialen Aufstieg aus eigener Leistung und durch Bildung auszeichnete. Gottsched gründete außerdem zwei »Moralische Wochenschriften« namens Die vernünfftigen Tadlerinnen und Der Biedermann (1725–29), die auf eine Aufklärung, Belehrung und Besserung des bürgerlichen Publikums in einfachen didaktischen Formen abzielten.
Epochenmachend war sein als Regelpoetik konzipierter Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen (1729/30). Gottsched forderte darin eine »Nachahmung der Natur« von der Literatur, wobei mit der Natur nicht die empirische Wirklichkeit, sondern eine »Vernunftnatur« gemeint war. Der sicherste Weg, die Vernunft in der Natur aufzuspüren und wiederzugeben, läge laut Gottsched in der Nachahmung der Vorbilder der Alten beziehungsweise der Antike. Das Ziel dieser Nachahmung - und der Zweck der Literatur insgesamt - war letztendlich die moralische Besserung des Publikums.
Des Weiteren hatte Gottsched auch bedeutenden Einfluss auf die Entwicklung der deutschen Dramatik und Grammatik. Mit all seinen akademischen, theoretischen, dramaturgischen, theaterpraktischen und publizistischen Bemühungen trug Gottsched zudem maßgeblich zum Prozess der »Verbürgerlichung« der deutschen Literatur und zur Herausbildung einer aufklärerischen Grundhaltung bei den bürgerlichen Intellektuellen der Zeit bei. In seinen letzten Lebensjahrzehnten neigte er jedoch zu einer dogmatischen Übertreibung seiner rationalistischen Literaturprinzipien und zeigte keinen Sinn für Neuentwicklungen. Bei seinem Tod 1766 war er daher ein bespöttelter Repräsentant einer bereits überholten literarischen Ordnung. Allerdings setzte der Niedergang seines Ansehens bereits um 1740 im Zuge einer Auseinandersetzung mit den beiden Züricher Literaturtheoretikern Johann Jacob Bodmer und Johann Jacob Breitinger ein.
Vgl. Brenner: Neue deutsche Literaturgeschichte, S. 53-55, 59.

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