Johann Gottfried Schnabel und Ludwig Tieck

Mit der Wunderlichen Fata einiger Seefahrer von Johann Gottfried Schnabel begann die Erfolgsgeschichte des Romans. In die Literaturgeschichte gingen die Wunderlichen Fata jedoch als eine von Ludwig Tieck bearbeitete, stark verkürzte Fassung mit dem Titel Insel Felsenburg (1731–43) ein. Der Roman wurde oftmals unter der Gattungsbezeichnung der »Robinsonade« eingeordnet, abgeleitet von Daniel Defoes Werk Robinson Crusoe. Allerdings unterscheidet sich die Inselschilderung bei den Wunderlichen Fata und bei Robinson Crusoe, denn während sich Letzterer als heroisches Individuum gegen die feindliche Natur behaupten muss, ist die Insel Felsenburg von Beginn an als ein Gemeinschaftswerk konzipiert.
Mit Defoe teilte Schnabel aber die bürgerliche Weltanschauung, die nun endgültig zum tragenden Fundament des deutschen Romans wurde. Das Gemeinwesen auf der Insel Felsenburg bildet eine ideale soziale Welt, in der sich die bürgerlichen Tugenden entfalten können. Den äußeren Rahmen formt dabei eine patriarchalische Ordnung, die jedem Gerechtigkeit zuteil werden lässt; Redlichkeit, Treue und Liebe konstituieren den Zusammenhalt der Gemeinschaft. Die Insel ist damit als Gegenwelt zur europäischen Welt des späten 17. und frühen 18. Jahrhunderts konzipiert und die Wunderlichen Fata sind die Lebensläufe der einzelnen Figuren, die unter den europäischen Verhältnissen gelitten und auf der Insel Asyl gefunden haben. Schnabel setzte mit dieser Aneinanderreihung von europäischen Lebensläufen erstmals das Interesse für individuelle Biographien, das im Zuge des Pietismus im letzten Viertel des 17. Jahrhunderts geweckt worden war, in die deutsche Literatur um.
Vgl. Brenner: Neue deutsche Literaturgeschichte, S. 63-65.

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Schnabel/Tieck
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