Lyrik im Barock

Die Lyrik war ohne Zweifel die bevorzugte Gattung der Schriftsteller des 17. Jahrhunderts. Zu den frühesten Barocklyrikern gehörte dabei Georg Rudolf Weckherlin, dessen Werk den Abschied von der neulateinischen Dichtungstradition und der Meistersinger-Literatur markierte. Von lyrikhistorischer Bedeutung sind seine Oden und Gesänge (1618/19), mit denen erstmals wieder das rhetorische Niveau der romanischen Dichtung erreicht werden konnte.
Martin Opitz verarbeitete in seinen Gedichten die Erfahrung des Krieges. In seiner Sammlung TrostGedichte In Widerwertigkeit Deß Krieges (1633) behandelte er die Wirklichkeit des Dreißigjährigen Krieges mit einer einzigartigen Ausführlichkeit und Intensität. Ihre titelgebende tröstende Funktion erhielten diese Gedichte durch die Aufforderung zur constantia, also zur Beständigkeit, die der Einzelne den Leidenserfahrungen entgegensetzen sollte. Opitz’ andere Sammlung Acht Bücher Deutscher Poematum (1625) setzte sich aus einem breiten Spektrum an Themen und Formen zusammen, die meisterhaft beherrscht wurden und den Anschluss an das romanische Niveau fanden, den Opitz in seiner eigenen Regelpoetik forderte.
Die barocke Dichtung zeichnete sich einerseits durch einen Gelehrsamkeitscharakter, andererseits aber auch durch eine gewisse Eintönigkeit aus. Ihr Themen- und Formenarsenal war beschränkt, wobei insbesondere die Sonett-Form mit asyndetischen Reihungen sowie, in thematischer Hinsicht, Liebesgedichte bevorzugt wurden. Hierfür hatte Francesco Petrarca mit den 366 Gedichten seines Canzoniere (1340) ein wichtiges Modell geschaffen, in dem er die prägenden Topoi zur Gestaltung irdischer Liebe in der Lyrik etablierte. Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau erwies sich als virtuoser Beherrscher dieses Modells. Dies zeigt sich unter anderem in seinen Deutschen Übersetzungen und Gedichten, in denen er sowohl die erotischen Komponenten als auch die Vergänglichkeit der Schönheit herausarbeitete. Was sich in dieser Wiederaufnahme der petrarkistischen Liebeslyrik am deutlichsten zeigt, ist die rhetorische Prägung der barocken Lyrik. Die Kunst besteht dabei in der rhetorischen Grundfigur der inventio, mit der nicht die »Erfindung«, sondern das »Finden« des richtigen Bildes gemeint ist.
Neben der Liebeslyrik bildete die religiöse Lyrik einen zweiten Schwerpunkt im Barock, die sich am erfolgreichsten in der Form des Kirchenlieds realisierte. Ihr herausragender Repräsentant ist Paul Gerhardt, von dessen rund 130 Liedern – darunter etwa O Haupt voll Blut und Wunden – einige bis heute zum Repertoire der protestantischen und katholischen Gesangbücher zählen. Der große und langanhaltende Erfolg seiner geistlichen Lieder gründete in ihrer künstlerischen Schlichtheit und der Befolgung der Opitzschen Regeln, indem einer großen Vielfalt an Strophenformen wirkungsvolle poetische Mittel wie einfacher Satzbau, Wiederholung, Parallelität und Steigerung gegenübergestellt wurden. Die Lieder sprachen damit das religiöse Volksempfinden an und besaßen einen dogmatischen Gehalt, der tief in der lutherischen Orthodoxie verwurzelt war.
Vgl. Brenner: Neue deutsche Literaturgeschichte, S. 30-32.

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