Rhythmus des konkreten Einzelverses

Rhythmus des konkreten Einzelverses: Rhythmus des konkreten Einzelverses: Jeder einzelne Text in
gebundenen Versen
Gebundene vs. ungebundene Verse
primäre interne Differenzierung des Gegenstandsbereichs der Versifikation nach dem Umfang der rhythmischen Regelmäßigkeit.
basiert auf einem
metrischen Schema
Metrisches Schema
Höchste Stufe der metrischen Abstraktion.
. Seine konkrete rhythmische Gestalt ist damit jedoch niemals deckungsgleich: Einerseits werden häufig nicht alle im metrischen Schema vorgesehenen Wiederholungsstrukturen durch die sprachliche Realisierung des Einzelverses umgesetzt. Damit wird zunächst Monotonie (‚Klappern') vermieden; vor allem aber kann so eine Spannung zwischen Metrum und Rhythmus aufgebaut werden, mit deren Hilfe bestimmte Textteile hervorgehoben und für den Leser als wichtig markiert werden können. Andererseits können konkrete Verstexte aber auch zusätzliche, d.h. über die Vorgaben des metrischen Schemas hinausgehende Wiederholungsstrukturen aufweisen (z.B. regelmäßige Platzierung von Wortgrenzen, Alliterationen usw.).Des Weiteren ist im metrischen Schema die Qualität bzw. Intensität der Wiederholungsstrukturen immer nur pauschal geregelt – hier findet im konkreten Einzelvers notwendigerweise eine Individualisierung statt (z.B. in Bezug auf die Hebungsstärke, Pausenlänge, Reimqualität).
Textbeispiel:
Am grauen Strand, am grauen Meer
Und seitab liegt die Stadt;
Der Nebel drückt die Dächer schwer,
Und durch die Stille braust das Meer
Eintönig um die Stadt.
Theodor Storm: Die Stadt, 1. Strophe
Erläuterung:
Das abstrakte metrische Schema dieser Strophe lautet:
v – v – v – v – A
v – v – v – B
v – v – v – v – A
v – v – v – v – A
v – v – v – B
Der Rhythmus der konkreten Einzelverse erfüllt dieses Schema jedoch an drei Stellen nicht (hier durch Fettdruck hervorgehoben):
x X x X x X x X A
x x X X x X B
x X x X x X x X A
x x x X x X x X A
X x x X x X B
Auffällig sind dabei V. 2 und V. 5: In beiden Versen folgen zwei starke Abweichungen des konkreten Rhythmus vom Metrum unmittelbar aufeinander. Die semantische Funktion dieser rhythmischen Markierungen lässt sich relativ leicht bestimmen: Das Wort seitab steht quer zum abstrakten Schema und damit gewissermaßen auch rhythmisch im Abseits. Eintönig in V. 5 bildet durch die ähnliche Akzentstärke der beiden ersten Silben und die daraus folgende Tendenz zur schwebenden Betonung im Vortrag die Eintönigkeit des Meeresrauschens ab.

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Rhythmus des konkreten Einzelverses
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