Erläuterung:
Im folgenden sehen Sie drei Szenen, die verschiedene Sprechsituationen darstellen.
Zunächst einen klaren Dialog, also ein funktionierendes Gespräch, bei dem die Gesprächspartner
jeweils auf das Gesagte des Gegenübers reagieren und mit ihrer Rede daran anknüpfen.
Die deutlichsten Verbindungen sind markiert, aber Sie können selbst noch weitere Punkte
finden.
Textbeispiel:
CARLOS. Wer kommt? - Was seh' ich? O ihr guten Geister!
Mein Roderich!
MARQUIS. Mein Carlos!
CARLOS. Ist es möglich?
Ist's wahr? Ist's wirklich? Bist du's? - O, du bist's!
Ich drück' an meine Seele dich, ich fühle
Die deinige allmächtig an mir schlagen.
O, jetzt ist Alles wieder gut. In dieser
Umarmung heilt mein krankes Herz. Ich liege
Am Halse meines Roderich.
MARQUIS. Ihr krankes,
Ihr krankes Herz? Und was ist wieder gut?
Was ist's, das wieder gut zu werden brauchte?
Sie hören, was mich stutzen macht.
CARLOS. Und was
Bringt dich so unverhofft aus Brüssel wieder?
Wem dank' ich diese Ueberraschung? wem?
Ich frage noch? Verzeih dem Freudetrunknen,
Erhabne Vorsicht, diese Lästerung!
Wem sonst als dir, Allgütigste? Du wußtest,
Daß Carlos ohne Engel war, du sandtest
Mir diesen, und ich frage noch?
MARQUIS. Vergebung,
Mein theurer Prinz, wenn ich dies stürmische
Entzücken mit Bestürzung nur erwiedre.
So war es nicht, wie ich Don Philipps Sohn
Erwartete. Ein unnatürlich Roth
Entzündet sich auf Ihren blassen Wangen,
Und Ihre Lippen zittern fieberhaft.
Was muß ich glauben, theurer Prinz? - Das ist
Der löwenkühne Jüngling nicht, zu dem
Ein unterdrücktes Heldenvolk mich sendet -
Denn jetzt steh' ich als Roderich nicht hier,
Nicht als des Knaben Carlos Spielgeselle -
Ein Abgeordneter der ganzen Menschheit
Umarm' ich Sie - es sind die flandrischen
Provinzen, die an Ihrem Halse weinen
Und feierlich um Rettung Sie bestürmen.
Gethan ist's um Ihr theures Land, wenn Alba,
Des Fanatismus rauher Henkersknecht,
Vor Brüssel rückt mit spanischen Gesetzen.
Auf Kaiser Carls glorwürd'gem Enkel ruht
Die letzte Hoffnung dieser edeln Lande.
Sie stürzt dahin, wenn sein erhabnes Herz
Vergessen hat, für Menschlichkeit zu schlagen.
CARLOS. Sie stürzt dahin.
MARQUIS. Weh mir! Was muß ich hören!
CARLOS. Du sprichst von Zeiten, die vergangen sind.
Auch mir hat einst von einem Carl geträumt,
Dem's feurig durch die Wangen lief, wenn man
Von Freiheit sprach - doch der ist lang begraben.
Den du hier siehst, das ist der Carl nicht mehr,
Der in Alcala von dir Abschied nahm,
Der sich vermaß in süßer Trunkenheit,
Der Schöpfer eines neuen goldnen Alters
In Spanien zu werden - O, der Einfall
War kindisch, aber göttlich schön! Vorbei
Sind diese Träume. -
MARQUIS. Träume, Prinz? - So wären
Es Träume nur gewesen?
Friedrich Schiller: Don Carlos, 1. Akt, 2. Auftritt
Erläuterung:
Ein klassischer Monolog, in dem eine Figur ihre Handlungsmöglichkeiten erörtert. In
diesem Fall reflektiert die Prinzessin Eboli, warum Don Carlos sie nicht liebt, wen
er liebt, wie sie zu ihrer Nebenbuhlerin steht und was sie gegen diese von ihr angenommene
Liebe tun kann.
Textbeispiel:
DIE PRINZESSIN allein.
(Sie steht noch betäubt, außer Fassung; nachdem er hinaus ist, eilt sie ihm nach und
will ihn zurückrufen.)
Prinz, noch ein Wort. Prinz, hören Sie - Er geht!
Auch das noch! Er verachtet mich - Da steh' ich
In fürchterlicher Einsamkeit - verstoßen,
Verworfen - (Sie sinkt auf einen Sessel. Nach einer Pause.)
Nein! Verdrungen nur, verdrungen
Von einer Nebenbuhlerin. Er liebt.
Kein Zweifel mehr. Er hat es selbst bekannt.
Doch wer ist diese Glückliche? - So viel
Ist offenbar - er liebt, was er nicht sollte.
Er fürchtet die Entdeckung. Vor dem König
Verkriecht sich seine Leidenschaft - Warum
Vor diesem, der sie wünschte? - Oder ist's
Der Vater nicht, was er im Vater fürchtet?
Als ihm des Königs buhlerische Absicht
Verrathen war - da jauchzten seine Mienen,
Frohlockt' er, wie ein Glücklicher... Wie kam es,
Daß seine strenge Tugend hier verstummte?
Hier? eben hier? Was kann denn er dabei,
Er zu gewinnen haben, wenn der König
Der Königin die -
(Sie hält plötzlich ein, von einem Gedanken überrascht - Zu gleicher Zeit reißt sie
die Schleife, die ihr Carlos gegeben hat, von dem Busen, betrachtet sie schnell und
erkennt sie.)
Jetzt endlich, jetzt - Wo waren meine Sinne?
Jetzt gehen mir die Augen auf - Sie hatten
Sich lang geliebt, eh der Monarch sie wählte.
Nie ohne sie sah mich der Prinz. - Sie also,
Sie war gemeint, wo ich so grenzenlos,
So warm, so wahr mich angebetet glaubte?
O, ein Betrug, der ohne Beispiel ist!
Und meine Schwäche hab' ich ihr verrathen -
(Stillschweigen.)
Daß er ganz ohne Hoffnung lieben sollte!
Ich kann's nicht glauben - Hoffnungslose Liebe
Besteht in diesem Kampfe nicht. Zu schwelgen,
Wo unerhört der glänzendste Monarch
Der Erde schmachtet - Wahrlich! solche Opfer
Bringt hoffnungslose Liebe nicht. Wie feurig
War nicht sein Kuß! Wie zärtlich drückt' er mich,
Wie zärtlich an sein schlagend Herz! - Die Probe
War fast zu kühn für die romant'sche Treue,
Die nicht erwiedert werden soll - Er nimmt
Den Schlüssel an, den, wie er sich beredet,
Die Königin ihm zugeschickt - er glaubt
An diesen Riesenschritt der Liebe - kommt,
Kommt wahrlich, kommt! - So traut er Philipps Frau
Die rasende Entschließung zu. - Wie kann er,
Wenn hier nicht große Proben ihn ermuntern?
Es ist am Tag. Er wird erhört. Sie liebt!
Beim Himmel, diese Heilige empfindet!
Wie fein ist sie!... Ich zitterte ich selbst,
Vor dem erhabnen Schreckbild dieser Tugend.
Ein höhres Wesen ragt sie neben mir.
In ihrem Glanz erlösch' ich. Ihrer Schönheit
Mißgönnt' ich diese hohe Ruhe, frei
Von jeder Wallung sterblicher Naturen.
Und diese Ruhe war nur Schein? Sie hätte
An beiden Tafeln schwelgen wollen? - Hätte
Den Götterschein der Tugend schaugetragen,
Und doch zugleich des Lasters heimliche
Entzückungen zu naschen sich erdreistet?
Das durfte sie? Das sollte ungerochen
Der Gauklerin gelungen sein? Gelungen,
Weil sich kein Rächer meldet? - Nein, bei Gott!
Ich betete sie an - Das fordert Rache!
Der König wisse den Betrug - der König?
(Nach einigem Besinnen.)
Ja, recht - das ist ein Weg zu seinem Ohre. (Sie geht ab.)
Friedrich Schiller: Don Carlos, 2. Akt, 9. Auftritt
Erläuterung:
Ein Dialog mit monologischen Elementen, (andere Beispiele könnten ein Botenbericht
oder eine Teichoskopie sein) hier ein Gespräch zwischen dem Marquis Posa und König
Philip, in dem der Marquis seine politische Haltung und Einstellung darlegt. Er könnte,
würde er nicht gelegentlich vom König unterbrochen, das genauso für sich selbst reflektieren,
um sich selbst seiner Position bewusst zu werden. Entsprechend muss er am Ende auch
gestehen, dass der König der erste ist, dem er das sagt.
Textbeispiel:
KÖNIG (mit erwartender Miene). Nun?
MARQUIS. - Ich kann nicht Fürstendiener sein.
(Der König sieht ihn mit Erstaunen an.)
Ich will
Den Käufer nicht betrügen, Sire. - Wenn Sie
Mich anzustellen würdigen, so wollen
Sie nur die vorgewogne That. Sie wollen
Nur meinen Arm und meinen Muth im Felde,
Nur meinen Kopf im Rath. Nicht meine Thaten,
Der Beifall, den sie finden an dem Thron,
Soll meiner Thaten Endzweck sein. Mir aber,
Mir hat die Tugend eignen Werth. Das Glück,
Das der Monarch mit meinen Händen pflanzte,
Erschüf' ich selbst, und Freude wäre mir
Und eigne Wahl, was mir nur Pflicht sein sollte.
Und ist das Ihre Meinung? Können Sie
In Ihrer Schöpfung fremde Schöpfer dulden?
Ich aber soll zum Meißel mich erniedern,
Wo ich der Künstler könnte sein? - Ich liebe
Die Menschheit, und in Monarchieen darf
Ich Niemand lieben als mich selbst.
KÖNIG. Dies Feuer
Ist lobenswerth. Ihr möchtet Gutes stiften.
Wie Ihr es stiftet, kann dem Patrioten,
Dem Weisen gleich viel heißen. Suchet Euch
Den Posten aus in meinen Königreichen,
Der Euch berechtigt, diesem edeln Triebe
Genug zu thun.
MARQUIS. Ich finde keinen.
KÖNIG. Wie?
MARQUIS. Was Eure Majestät durch meine Hand
Verbreiten - ist das Menschenglück? Ist das
Dasselbe Glück, das meine reine Liebe
Den Menschen gönnt? - Vor diesem Glücke würde
Die Majestät erzittern - Nein! Ein neues
Erschuf der Krone Politik - ein Glück,
Das sie noch reich genug ist auszutheilen,
Und in dem Menschenherzen neue Triebe,
Die sich von diesem Glücke stillen lassen.
In ihren Münzen läßt sie Wahrheit schlagen,
Die Wahrheit, die sie dulden kann. Verworfen
Sind alle Stempel, die nicht diesem gleichen.
Doch, was der Krone frommen kann - ist das
Auch mir genug? Darf meine Bruderliebe
Sich zur Verkürzung meines Bruders borgen?
Weiß ich ihn glücklich - eh' er denken darf?
Mich wählen Sie nicht, Sire, Glückseligkeit,
Die Sie uns prägen, auszustreun. Ich muß
Mich weigern, diese Stempel auszugeben. -
Ich kann nicht Fürstendiener sein.
KÖNIG (etwas rasch). Ihr seid
Ein Protestant.
MARQUIS (nach einigem Bedenken). Ihr Glaube Sire, ist auch
Der meinige. (Nach einer Pause.) Ich werde mißverstanden.
Das war es, was ich fürchtete. Sie sehen
Von den Geheimnissen der Majestät
Durch meine Hand den Schleier weggezogen.
Wer sichert Sie, daß mir noch heilig heiße,
Was mich zu schrecken aufgehört? Ich bin
Gefährlich, weil ich über mich gedacht. -
Ich bin es nicht, mein König. Meine Wünsche
Verwesen hier. (Die Hand auf die Brust gelegt.)
Die lächerliche Wuth
Der Neuerung, die nur der Ketten Last,
Die sie nicht ganz zerbrechen kann, vergrößert,
Wird mein Blut nie erhitzen. Das Jahrhundert
Ist meinem Ideal nicht reif. Ich lebe
Ein Bürger derer, welche kommen werden.
Kann ein Gemälde Ihre Ruhe trüben? -
Ihr Athem löscht es aus.
KÖNIG. Bin ich der Erste,
Der Euch von dieser Seite kennt?
MARQUIS. Von dieser -
Ja!
Friedrich Schiller: Don Carlos, 3. Akt, 10. Auftritt