Textbeispiel:
Der HAUPTMANN. Eine Schaar von GRIECHEN.
(welche während dessen einen Hügel bestiegen haben).
EIN MYRMIDONIER. (in die Gegend schauend.)
Seht! Steigt dort über jenes Berges Rücken,
Ein Haupt nicht, ein bewaffnetes, empor?
Ein Helm, von Federbüschen überschattet?
Der Nacken schon, der mächt'ge, der es trägt?
Die Schultern auch, die Arme, stahlumglänzt?
Das ganze Brustgebild, O seht doch, Freunde,
Bis wo den Leib der gold'ne Gurt umschließt?
DER HAUPTMANN.
Ha! Wessen!
DER MYRMIDONIER.
Wessen! Träum' ich, ihr Argiver?
Die Häupter sieht man schon, geschmückt mit Blessen,
Des Roßgespanns! Nur noch die Schenkel sind,
Die Hufen, von der Höhe Rand bedeckt!
Jetzt, auf dem Horizonte, steht das ganze
Kriegsfahrzeug da! So geht die Sonne prachtvoll
An einem heitern Frühlingstage auf!
DIE GRIECHEN.
Triumph! Achilleus ist's! Der Göttersohn!
Selbst die Quadriga führet er heran!
Er ist gerettet!
DER HAUPTMANN.
Ihr Olympischen!
So sei euch ew'ger Ruhm gegönnt! – Odysseus!
– Flieg Einer den argol'schen Fürsten nach!
(Ein Grieche schnell ab.)
Naht er sich uns, ihr Danaer?
DER MYRMIDONIER. O sieh!
DER HAUPTMANN.
Was giebt's?
DER MYRMIDONIER.
O mir vergeht der Athem, Hauptmann!
DER HAUPTMANN.
So rede, sprich!
DER MYRMIDONIER.
O, wie er mit der Linken
Vor über seiner Rosse Rücken geht!
Wie er die Geißel umschwingt über sie!
Wie sie von ihrem bloßen Klang erregt,
Der Erde Grund, die göttlichen, zerstampfen!
Am Zügel zieh'n sie, beim Lebendigen,
Mit ihrer Schlünde Dampf, das Fahrzeug fort!
Gehetzter Hirsche Flug ist schneller nicht!
Der Blick drängt unzerknickt sich durch die Räder,
Zur Scheibe fliegend eingedreht, nicht hin!
EIN ÄTOLIER.
Doch hinter ihm –
DER HAUPTMANN. Was?
DER MYRMIDONIER. An des Berges Saum –
DER ÄTOLIER.
Staub –
DER MYRMIDONIER.
Staub aufqualmend, wie Gewitterwolken:
Und, wie der Blitz vorzuckt –
DER ÄTOLIER. Ihr ew'gen Götter!
DER MYRMIDONIER.
Penthesilea.
DER HAUPTMANN. Wer?
DER ÄTOLIER. Die Königinn! –
Ihm auf dem Fuß, dem Peleïden, schon
Mit ihrem ganzen Troß von Weibern folgend.
DER HAUPTMANN.
Die rasende Megär'!
DIE GRIECHEN. (rufend) Hieher den Lauf!
Hieher den Lauf, du göttlicher gerichtet!
Auf uns den Lauf!
DER ÄTOLIER. Seht! wie sie mit den Schenkeln
Des Tiegers Leib inbrünstiglich umarmt!
Wie sie, bis auf die Mähn' herabgebeugt,
Hinweg die Luft trinkt lechzend, die sie hemmt!
Sie fliegt, wie von der Senne abgeschossen:
Numidsche Pfeile sind nicht hurtiger!
Das Heer bleibt keuchend, hinter ihr, wie Köter,
Wenn sich ganz aus die Dogge streckt, zurück!
Kaum daß ihr Federbusch ihr folgen kann!
Heinrich von Kleist: Penthesilea, 3.Aufzug