Vertrautenrede

Vertrautenrede: Gespräch zwischen Protagonist und einer ihm fest zugeordneten, sein volles Vertrauen genießenden Bühnenperson. Sie dient besonders der Informationsvergabe über Gedanken, Gefühle und Absichten des Protagonisten.
Bei der Vertrautenrede handelt es sich um einen
Dialog
Dialog
Wechselrede der Figuren, das Gespräch im Drama.
des
Protagonisten
Protagonist
Zentrale Figur des Dramas.
mit einem Vertrauten, der ihm über die
Personenkonstellation
Figurenkonstellation
Verhältnis und Stellung aller Figuren eines Dramas zueinander wird als Figurenkonstellation beschrieben.
fest zugeordnet erscheint und der keine eigenen Interessen durchsetzen möchte, sondern eher vernünftig oder exemplarisch auf die ihm präsentierten Verstrickungen und Konflikte reagiert, in die er selbst nicht verstrickt ist. Dem Vertrauten kommt damit eine Funktion zu, die kommentierend, ratend oder reflektierend an die des antiken
Chores
Chor
Eine Gruppe von Sprechern im Drama, die nur als Kollektiv spricht
erinnert, dabei aber auch dem Protagonisten Raum gibt, sich zu profilieren, wie es auch im
Monolog
Monolog
Selbstgespräch einer Bühnenfigur, hauptsächlich auf die sprechende Person, ihre Situation und ihren Konflikt abzielend, dabei nicht an andere Bühnenfiguren adressiert.
der Fall wäre.
Entsprechend kann der Vertraute auch nur als Stichwortgeber auftreten, oder einen Teil (z.B. das Gewissen) des Protagonisten verkörpern. Als Szene kann die Vertrautenrede dazu dienen, die Vergangenheit des Protagonisten zu erläutern, konflikthafte Konstellationen zu zeigen, Gefühle oder Absichten zu formulieren. Insofern dient sie der
Informationsvergabe
Informationsvergabe
Terminus der Dramenanalyse zur Beschreibung der Möglichkeit, dem Zuschauer über Haupt- und Nebentext Wissen über den Fort- und Ausgang der Handlung zukommen zu lassen.
, da so auch das Publikum dieses Wissen mitgeteilt bekommt.
Während in der Tragödie der Konzeption wegen der Rat des Vertrauten entweder wirkungslos bleiben muss, oder keinen Ausweg aufzuzeigen vermag, können in der Komödie Dienerfiguren durchaus aktiv die Handlung beeinflussen.
Erläuterung:
Um die vorangegangenen Handlungen zu aktualisieren und das Geschehen, das sich zwischen den gezeigten Szenen abspielt, kurz zu erläutern, nutzt R.Wagner das Mittel der Vertrautenrede, so z.B. Wotan zu Brünnhilde
Textbeispiel:
BRÜNNHILDE
Vater! Vater! Sage, was ist dir?
Was erschreckst du mit Sorge dein Kind?
Vertraue mir! Ich bin dir treu:
sieh, Brünnhilde bittet!
WOTAN
Lass ich's verlauten,
lös ich dann nicht meines Willens haltenden Haft?
BRÜNNHILDE
Zu Wotans Willen sprichst du,
sagst du mir, was du willst;
wer bin ich, wär' ich dein Wille nicht?
WOTAN
Was keinem in Worten ich künde,
unausgesprochen bleib es denn ewig:
mit mir nur rat ich, red ich zu dir.
Als junger Liebe Lust mir verblich,
verlangte nach Macht mein Mut:
von jäher Wünsche Wüten gejagt,
gewann ich mir die Welt.
Unwissend trugvoll, Untreue übt' ich,
band durch Verträge, was Unheil barg:
Listig verlockte mich Loge,
der schweifend nun verschwand.
Von der Liebe doch mocht' ich nicht lassen,
in der Macht verlangt' ich nach Minne.
Den Nacht gebar, der bange Nibelung,
Alberich, brach ihren Bund;
er fluchte der Lieb' und gewann durch den Fluch
des Rheines glänzendes Gold
und mit ihm masslose Macht.
Den Ring, den er schuf,
entriss ich ihm listig;
doch nicht dem Rhein gab ich ihn zurück:
mit ihm bezahlt' ich Walhalls Zinnen,
der Burg, die Riesen mir bauten,
aus der ich der Welt nun gebot.
Die alles weiss, was einstens war,
Erda, die weihlich weiseste Wala,
riet mir ab von dem Ring,
warnte vor ewigem Ende.
Von dem Ende wollt' ich mehr noch wissen;
doch schweigend entschwand mir das Weib.
Da verlor ich den leichten Mut,
zu wissen begehrt' es den Gott:
in den Schoss der Welt schwang ich mich hinab,
mit Liebeszauber zwang ich die Wala,
stört' ihres Wissens Stolz, dass sie Rede nun mir stand.
Kunde empfing ich von ihr;
von mir doch barg sie ein Pfand:
der Welt weisestes Weib
gebar mir, Brünnhilde, dich.
Mit acht Schwestern zog ich dich auf;
durch euch Walküren wollt ich wenden,
was mir die Wala zu fürchten schuf:
ein schmähliches Ende der Ew'gen.
Dass stark zum Streit uns fände der Feind,
hiess ich euch Helden mir schaffen:
die herrisch wir sonst
in Gesetzen hielten,
die Männer, denen den Mut wir gewehrt,
die durch trüber Verträge trügende Bande
zu blindem Gehorsam wir uns gebunden,
die solltet zu Sturm
und Streit ihr nun stacheln,
ihre Kraft reizen zu rauhem Krieg,
dass kühner Kämpfer Scharen
ich sammle in Walhalls Saal!
Richard Wagner: Die Walküre, 2. Akt, 2.Szene

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