Offene Form

Offene Form: Gegenmodell zur
geschlossenen Form
Geschlossene Form
Im idealtypischen Drama der geschlossenen Form sollten die Einheit des Ortes, der Zeit und der Handlung eingehalten werden, der Aufbau nach dem symmetrischen Schema Exposition, Steigerung, Höhe-/Wendepunkt, Verzögerung, Katastrophe gestaltet sein und den strengen Regeln der Personenverteilung gehorchen sowie die Ständeklausel eingehalten werden und damit der hohe Redestil etabliert sein. Außerdem sollte die Fabel auf transparente Weise ein ideelles Problem darstellen.
und daher „ex negativo“ bestimmt bzw. in bewusster Differenz zu dieser gestaltet. Die Forderung nach einem voraussetzungslosen Anfang und einem endgültigen Ende wird somit negiert. Das Drama bildet nicht mehr ein geschlossenes, hierarchisch organisiertes Ganzes, sondern stellt ein Ensemble von Einzelsequenzen dar.
Die offene Form des Dramas stellt als Gegenmodell zur geschlossenen Form genauso einen Idealtyp dar, der die
drei Einheiten
Drei Einheiten
Unter den drei Einheiten versteht man die Einheit des Ortes, der Zeit und der Handlung, die von klassizistischen Theoretikern in Berufung auf die aristotelische Poetik als Norm etabliert wurden.
weitgehend suspendiert, über großes Personal verfügt, verschiedene Sprachniveaus enthält und nicht unbedingt den üblichen Regeln der Gliederung folgt. Realiter wird er repräsentiert durch ein Konglomerat von vielen diversen Dramentypen aus unterschiedlichen Epochen, die sich nicht den klassizistischen Regeln beugen und sich z.B. auf Shakespeare als Vorbild berufen. So können mit diesem Überbegriff zum Beispiel Dramen aus dem Sturm und Drang ebenso benannt werden wie Büchners Dramen oder Werke aus dem Naturalismus. Die intentionale Handlung wird oft ersetzt durch ein Geschehen, welches den Figuren widerfährt. Das Drama zeigt einen Abschnitt im Leben der handelnden Figuren und erhebt somit keinen Anspruch auf Vollständigkeit der Fabel (Bsp.: Dokumentartheater).
Die Einheit der Fabel, welche in der
geschlossenen Form
Geschlossene Form
Im idealtypischen Drama der geschlossenen Form sollten die Einheit des Ortes, der Zeit und der Handlung eingehalten werden, der Aufbau nach dem symmetrischen Schema Exposition, Steigerung, Höhe-/Wendepunkt, Verzögerung, Katastrophe gestaltet sein und den strengen Regeln der Personenverteilung gehorchen sowie die Ständeklausel eingehalten werden und damit der hohe Redestil etabliert sein. Außerdem sollte die Fabel auf transparente Weise ein ideelles Problem darstellen.
gefordert wird, wird in der offenen Form durch die Gleichsetzung der einzelnen Sequenzen gebrochen. Die Grenzen zwischen Haupt- und Nebenhandlung verschwimmen bis zur Verschmelzung. Dadurch fehlt auch die klare hierarchische Abstufung des Personals in
Haupt-
Hauptfiguren
Die zentralen Figuren des Dramas, um die sich die Haupthandlung dreht, bzw. die aktiv und selbständig agieren und die entsprechend die größten Textanteile haben.
und
Nebenfiguren
Nebenfiguren
Den Hauptfiguren zur Seite gestellte Figuren, die oft eher einen dramaturgischen Zweck erfüllen als persönlich plastisch zu werden.
.
Im Gegensatz zur geschlossenen Form dominiert hier die individuelle Erfahrung. So sind nicht nur die Figuren dominant individualistisch gezeichnet, sondern das ganze Drama verkehrt sich in seinem Aufbau: Die einzelnen Geschehnisse werden nicht mehr durch ihren Bezug auf das Ganze definiert, sondern die einzelnen Teile bilden den Schwerpunkt und ergeben am Ende die Darstellung eines Ganzen. Ebenso stellt die Fabel kein ideelles Problem mehr dar, vielmehr dominiert das konkret-individuelle Erlebnis. Erschließt sich das geschlossene Drama also deduktiv, ist die offene Form auf induktive Weise zu verstehen.
Ordnungsprinzipien wie zyklische, repetitive oder kontrastierende Anordnungen ersetzen das Fehlen der linearen Finalität des geschlossenen Dramas. Durch das Aufbrechen dieser starken Zielspannung besitzen die Gliederungseinheiten wie
Akt
Akt
Dominierende Gliederungseinheit im Drama, welche räumliche und inhaltliche Strukturierung gewährleistet. Der Akt lässt sich weiter untergliedern in Szenen oder Auftritte.
und
Szene
Szene
Den Akt unterteilende Gliederungseinheit des Dramas, die das Geschehen zwischen zwei Schauplatzwechseln bezeichnet.
eine andere Funktion, oder können irrelevant werden. Die Auflösung einer handlungspragmatischen Verknüpfung kann kompensiert werden durch die Beiordnung komplementärer Sequenzen, durch metaphorische Verklammerung oder auch durch die Möglichkeit eines zentralen Ichs.
Ideelle Probleme werden kaum mehr thematisiert, dagegen treten häufig verschiedene Problembereiche auf, die sich in der Disparität der Anlage genauso manifestieren wie in der häufig gestörten Kommunikation zwischen den Figuren.
Erläuterung:
An zwei Dramen von Johann Wolfgang Goethe lassen sich die Unterschiede zwischen offener und geschlossener Form deutlich zeigen. Götz von Berlichingen und Iphigenie auf Tauris unterscheiden sich diametral was Personal, Schauplätze, Zeit, Sprache, Einteilung etc. angeht. Schon an der Angabe der dramatis personae wird dieser Unterschied offenkundig:
Textbeispiel:
Personen:
Kaiser Maximilian
Götz von Berlichingen
Elisabeth, seine Frau
Maria, seine Schwester
Karl, sein Söhnchen
Georg, sein Bube
Bischof von Bamberg
Weislingen, Adelheid von Walldorf, Liebetraut an des Bischofs Hofe
Abt von Fulda
Olearius, beider Rechte Doktor
Bruder Martin
Hans von Selbitz
Franz von Sickingen
Lerse
Franz, Weislingens Bube
Kammerfräulein der Adelheid
Metzler, Sievers, Link, Kohl, Wild, Anführer der rebellischen Bauern
Hoffrauen, Hofleute, am Bambergschen Hofe
Kaiserliche Räte
Ratsherrn von Heilbronn
Richter des heimlichen Gerichts
Zwei Nürnberger Kaufleute
Max Stumpf, Pfalzgräflicher Diener
Ein Unbekannter
Brautvater und Bräutigam, Bauern
Berlichingsche, Weislingsche, Bambergsche Reiter
Hauptleute, Offiziere, Knechte von der Reichsarmee
Schenkwirt
Gerichtsdiener
Heilbronner Bürger
Stadtwache
Gefängniswärter
Bauern
Zigeunerhauptmann
Zigeuner, Zigeunerinnen
Johann Wolfgang von Goethe: Götz von Berlichingen
Textbeispiel:
Personen:
Iphigenie
Thoas, König der Taurier
Orest
Pylades
Arkas
Schauplatz
Hain vor Dianens Tempel
Johann Wolfgang von Goethe: Iphigenie auf Tauris
Erläuterung:
Während die große Anzahl auftretender Figuren beim Götz schon nahe legt, dass die Handlung an mehr als nur einem Schauplatz stattfinden wird und sich über einen längeren Zeitraum erstrecken wird, ist das Personal in der Iphigenie so reduziert, dass ein einziger Schauplatz ausreicht, um den Konflikt zu entwickeln und zu lösen.

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