Sekundäres Erzählen

Sekundäres Erzählen: Erzähler einer Binnengeschichte, der in der Rahmengeschichte als Figur auftritt.
Innerhalb der Rahmenerzählung können also eine (oder mehrere) Binnenerzählung(en) vorliegen. Dieses Rahmungsprinzip ist natürlich wiederholbar.
Ein solches Verfahren der Rahmung ist in der abendländischen Geschichte von Erzählungen weit verbreitet. Es kann - abgesehen von der bloßen Reihung von mehreren Geschichten innerhalb eines Rahmens - nämlich zumindest zwei unterscheidbare Funktionen erfüllen: Wenn die Ereignisse der Binnenerzählung bestimmte Ereignisse der Rahmenerzählung, insbesondere die Situation, in der sich die erzählende Figur gerade befindet, erklären (helfen), kann man von einer konsekutiven oder kausalen Funktion sprechen. Wenn die Ereignisse der Binnenerzählung jedoch in einem Ähnlichkeits- oder Kontrastverhältnis zu denen der Rahmenerzählung stehen, liegt eine korrelative Funktionalisierung vor. Beide Funktionstypen schließen sich keineswegs aus.
Wenn nun - was in Erzählungen spätestens seit der Romantik durchaus vorkommen kann - die beiden erzählten Welten der Rahmen- und der Binnenerzählung so miteinander verknüpft werden, dass die Figuren oder Geschehnisse der beiden Welten miteinander auf paradoxe Weise interagieren, liegt eine narrative Metalepse vor, in der somit die Grenzen zwischen den beiden fiktiven Erzählwelten durchbrochen sind. Wenn sich die beiden Erzählungen zudem wechselseitig enthalten - was in Texten (seit) der Moderne vorkommen kann -, spricht man von einer mise en abyme. Der Ort der beiden so miteinander korrelierten Erzählungen ist dann nicht mehr eindeutig feststellbar.
Erläuterung:
Odysseus, im neunten Gesang der Odyssee am Hof der Phäaken angekommen, wird durch die Erzählung eines „Sängers“ angeregt, nun seinerseits von seinem bisherigen Schicksal zu berichten:
Textbeispiel:
Ihm gab Antwort darauf der kluge Odysseus und sagte: „Herrscher Alkinoos, ausgezeichnet vor sämtlichen Männern, angenehm ist es, einem Sänger zu lauschen wie diesem, dessen Gesang so herrlich erklingt wie Stimmen der Götter!
[...]
Nennen will ich zu Anfang den Namen: Ihr müßt ihn erfahren - ich will künftig, sofern ich dem Tage des Todes entrinne, gastlich euch aufnehmen, wohne ich auch in der Ferne! Odysseus bin ich, der Sohn des Laërtes, durch allerlei listige Taten weltbekannt.
[...]
Lasse dir jetzt von mir die leidige Heimfahrt berichten, die der Kronide mir nach dem Aufbruch von Troja bescherte! Fort von Ilion trieb mich der Wind [usw.]
Homer: Odyssee
Erläuterung:
Diese Erzählung setzt sich bis zum Ende des zwölften Gesangs fort - und bildet somit das wohl älteste Beispiel der abendländischen Literatur für eine Binnenerzählung.
Fragestellung:
Haben wir es hier mit
Textbeispiel:
Don Quijote fragte sie, was sie über Marcela und Grisostomo vernommen hätten. Der fremde Reisende sagte, sie seien an diesem Morgen auf die Schäfer gestoßen, und weil sie diese in Trauer gekleidet gesehen, hätten sie nach der Ursache gefragt. Darüber habe ihnen einer der Schäfer Aufschluß gegeben und ihnen von der sonderbaren Wesensart und der Schönheit einer Schäferin namens Marcela [...] erzählt.
Miguel Cervantes: Don Quijote
Für einen Erzähler auf der dritten Ebene kommt hier einzig die Erzählung des Schäfers in Frage, die dieser den beiden Reisenden erzählt hat, die dies wiederum Don Quijote erzählen. Die Erzählung des Schäfers selbst wird aber nicht wiedergegeben, sodass hier kein
tertiäres Erzählen
Metadiegetisches Erzählen
Findet innerhalb der Diegese, also intradiegetisch, einer neuer, diegeseerzeugender Akt statt, wird dessen Inhalt als metadiegetisch bezeichnet. Er liegt auf einer Ebene über der Diegese. Metadiegetisches Erzählen liegt vor, wenn Erzählen erzählt wird.
, keine Binnen-Binnenerzählung vorliegt. Der Schäfer selbst kommt ja gar nicht zu Wort, seine „Stimme" ist nicht zu vernehmen.
Für sekundäres Erzählen kommt hier dasjenige in Frage, was die beiden Reisenden von ihrer Begegnung mit den trauernden Schäfern Don Quijote erzählen. Doch auch diese Erzählung wird nicht so präsentiert, wie sie der eine der beiden Reisenden tatsächlich (in der erzählten Welt) erzählt, sondern sie bleibt - markiert durch die grammatische Form der indirekten Rede im Konjunktiv - der „Stimme" des
primären
Extradiegetisches Erzählen
Bezeichnet dasjenige Erzählen, das die Diegese, also die erzählte Welt, erzeugt. Intradiegetisch ist hingegen alles das, was sich innerhalb der erzählten Welt befindet. Es handelt sich um eine Unterscheidung zwischen dem Modus des Erzeugens gegenüber dem Modus des Erzeugten.
Erzählers zugeordnet. Da die Stimme des Reisenden also hier nicht als eigenständiger Erzählstandort eingeführt wird, liegt kein Ebenenwechsel und somit kein sekundäres Erzählen vor. Anders wäre es, wenn es hieße:Der fremde Reisende sagte: „Wir sind heute morgen auf eine Gruppe von Schäfern gestoßen. Weil wir sahen, dass sie in Trauer gekleidet waren ...".
Alles was erzählt wird, inklusive dessen, was der Schäfer den Reisenden erzählt und was die beiden Reisenden davon wiederum Don Quijote erzählen, bleibt markiert durch die grammatische Form der indirekten Rede im Konjunktiv - der "Stimme" des
primären
Extradiegetisches Erzählen
Bezeichnet dasjenige Erzählen, das die Diegese, also die erzählte Welt, erzeugt. Intradiegetisch ist hingegen alles das, was sich innerhalb der erzählten Welt befindet. Es handelt sich um eine Unterscheidung zwischen dem Modus des Erzeugens gegenüber dem Modus des Erzeugten.
Erzählers zugeordnet. Da die Stimme des Reisenden oder des Schäfers nicht als eigenständiger Erzählstandort eingeführt wird, liegt kein Ebenenwechsel und somit kein sekundäres Erzählen vor.

|
|
Sekundäres Erzählen
|
|
|
|