Theologische Streitigkeiten und religiöse Toleranz

Im Gegensatz zur französischen Aufklärung war die deutsche Aufklärung nicht atheistisch geprägt, sondern sie entstand in einem engen Bündnis mit der protestantischen Religion. Im ausgehenden 18. Jahrhundert entwickelte sich jedoch neben dem Atheismus und der Offenbarungsreligion noch eine deistische Variante der Religion, in der Gott nicht mehr als der personale Gott der christlichen Religion, sondern als ein ungreifbares, sich in der Natur manifestierendes Wesen verstanden wurde. In dieser Religionsausprägung wurde die Kirche als Institution überflüssig, was den Kernpunkt der theologischen Streitigkeiten des späteren 18. Jahrhunderts bildete, an deren Anfang Lessing mit seinen religionskritischen Schriften stand: seine Fragmente eines Ungenannten (ab 1774) eröffneten eine neue Phase der religionskritischen Auseinandersetzung.
Zudem propagierte Lessing in seinem berühmtesten Stück Nathan der Weise die konfessionspolitischen Toleranz gegenüber der anderen Religion als große Idee der bürgerlichen Aufklärung: mit Nathans berühmter »Ringparabel« verkündete er die Gleichrangigkeit aller Religionen und forderte als einzigen Nachweis ihrer Glaubwürdigkeit ihren Humanitätsgehalt. Damit bereitete er den Weg zum Übergang von einer rationalistisch-pragmatisch orientierten Aufklärung zur Humanitätskonzeption der deutschen Klassik.
Vgl. Brenner: Neue deutsche Literaturgeschichte, S. 82f.

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Religiöse Toleranz
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