Symbol: nicht konventionelles Zeichen – also ein Gegenstand, der auf Grundlage einer
nicht konventionellen Bedeutungszuweisung etwas repräsentiert und somit als Zeichen
anzusehen ist
Innerhalb der Geistes- und Kulturwissenschaften gibt es keine einheitliche
Definition des Symbolbegriffs. Sicher ist allerdings, dass sich der
literaturwissenschaftliche Symbolbegriff von anderen, insbes.
sprachwissenschaftlichen durch seinen gerade nicht
vom konventionellen Bedeutungsgehalt ausgehenden Standpunkt
unterscheidet.
Das Symbol im literaturwissenschaftlichen Verständnis bedarf also noch der
Deutung, da seine Bedeutung im Sprachgebrauch (noch) nicht fixiert ist. Da jedoch
auch außerhalb der Literatur, ja außerhalb von Texten überhaupt ebenfalls
nicht-konventionelle Zeichen vorkommen, bietet es sich an, den Symbolbegriff nicht
textwissenschaftlich zu fassen bzw. auf der Ebene des Textes zu verorten.
Der Grund, einen solchen allgemeinen Symbolbegriff an dieser Stelle zu
erläutern, liegt demnach in der engen Verwandtschaft zu
Metapher
Metapher
Trope: Ersetzung des eigentlichen Ausdrucks durch einen anderen Ausdruck, der mit
ihm in einer Ähnlichkeits- oder Analogiebeziehung steht
und anderen bildlichen
Redeweisen. Denn die nicht konventionelle Relation zwischen dem bezeichenden
Gegenstand (dem Symbol) und dem bezeichneten Gegenstand ist in aller Regel eine, die
als Trope oder bildliche Redeweise zum Ausdruck gebracht werden kann oder in einer
entsprechenden Formulierung ihren Ausgang genommen hat.
Das Symbol ist – im theoretischen Rahmen der rhetorischen Tropenlehre – also
der tropisch ersetzende Ausdruck, die pictura des
Emblems
Emblem
Gattung/Textsorte: aus Überschrift, Bild und Text zusammengesetzter bimedialer Komplex,
in dem die einzelnen Bestandteile durch Ähnlichkeits- oder andere Verweisungszusammenhänge
miteinander verknüpft sind
, aber nicht als Ausdruck, sondern
als Gegenstand. Dazu bedarf es freilich eines Kontextes bzw. eines Rahmens, in dem
bestimmte Gegenstände als symbolische Zeichen, die etwas anderes repräsentieren,
angesehen werden.
Wenn also in einer entsprechenden Metapher Caesar als „Löwe“ bezeichnet wird,
kann jeder Löwe, insbesondere jeder bewusst abgebildete Löwe (etwa in einer Statue)
Caesar symbolisieren. Wenn in einem allegorischen Text die Göttin der Gerechtigkeit,
Iustitia, als „blind“, nämlich vorurteilslos, bezeichnet wird, können Blindheit oder
eine Augenbinde (diesen Aspekt der) Gerechtigkeit symbolisieren. Aber natürlich kann
der Löwe auch einfach nur ein Löwe, und die Augenbinde eine Augenbinde sein, die gar
nichts bedeuten.
Andere Symbole sind auf ähnliche, aber nicht im engeren Sinne tropische Weise
zustande gekommen: etwa Symbole aus Anagrammen, wie das berühmte Erkennungszeichen
der Christen, der Fisch, das auf das griechische Wort für Fisch „ichthys“
zurückgeht, das annagrammatisch steht für „Iesous Christos
theou (h)yios soter“ (Jesus Christus, Gottes Sohn, Heiland).
Einmal – z. B. durch Verwendung in einem bestimmten Text oder anderen
Äußerungszusammenhängen – etablierte Symbole können dann aber natürlich (fast) wie
konventionelle Zeichen verwendet werden.
Der Löwe kann Caesar symbolisieren – oder überhaupt jeden Herrscher. Der
Löwe aus dem Beispiel
Emblem kann als Symbol für den guten, weil wachsamen
Herrscher angesehen oder verwendet werden, denn der Löwe und diese Tugend sind
(in diesem Fall) allegorisch aufeinander bezogen. Und so symbolisieren viele
Tiere bestimmte Eigenschaften oder Charakterzüge, die wir ihnen (tropisch oder
schon konventionell oder wie auch immer) zuordnen: der Adler den Mut, die Taube
die Friedfertigkeit, der Fuchs die Listigkeit, die Schlange die Verführung, der
Fisch den christlichen Glauben usw.
Man kann sicherlich soweit gehen, zu behaupten, dass im Grunde alles
symbolisieren kann – wenn nur die Umstände und/oder Kontexte entsprechend sind.
Schauen Sie sich einfach mal um, zum Beispiel in Ihrem Bad: Die Form des
Parfum-Flacons symbolisiert (wohl metaphorisch) möglicherweise Eleganz, die
Fliesen in Ihrem Bad symbolisieren (wohl metonymisch) den schlechten Geschmack
Ihres Vermieters, die Farben auf der Waschmittelpackung symbolisieren
(metaphorisch-konventionell) Frische und Sauberkeit, und das Poster an der Tür
symbolisiert das, was es zeigt (und wohl noch mehr).