imitatio veterum
lat.: Nachahmung der Alten
imitatio veterum: produktionsästhetisches Grundprinzip: Orientierung der Textproduktion an vorbildhaften
Mustertexten oder Textmustern (aus der Antike)
Die vor allem mit dem Namen Horaz verknüpfte imitatio veterum stellt das zweite produktionsästhetische
Grundprinzip der Dichtung dar, das seinen Ursprung bereits in der Antike hat. Das
andere ist das auf Aristoteles zurückgehende Mimesis-Prinzip, das eine mimetische,
also nach- oder abbildende Bezugnahme auf die Natur bzw. die Welt fordert. Beide Prinzipien
waren bis weit in die Neuzeit hinein weitgehend gültig und auf verschiedene Weise
miteinander vermittelt.
Die imitatio veterum fordert vom Dichter und Schriftsteller die Ausrichtung auf als
vorbildhaft anerkannte und anzuerkennende Textmuster oder Mustertexte, die ein vergangenes
‚klassisches’ Zeitalter zu bieten hat, denn nur so könne die Qualität und Wirkung
auch der eigenen, gleichsam ‚spätzeitlichen’ Textproduktion sichergestellt werden.
Insofern ist die imitatio veterum ein klassizistisches Prinzip. So sind z.B. Großteile
der lateinischen Literatur auf klassische griechische Vorbilder ausgerichtet und Großteile
der frühneuzeitlichen Literatur des Abendlandes auf die klassischen lateinischen und
griechischen Vorbilder.
In diesem Sinne ist die imitatio veterum durchaus auch als eine Form von Intertextualität
anzusehen, deren Gültigkeit freilich spätestens mit der Goethezeit an ihr Ende gelangt,
da nun (dem Selbstverständnis nach) das Kunst schaffende ‚Genie’ nicht mehr auf Muster
und Regeln angewiesen ist.
Seit ihrer Einführung als produktionsästhetisches Grundprinzip ist die imitatio veterum
eng mit der
Rhetorik
Rhetorik
ars bene dicendi (lat.: die Kunst des guten Redens/Textes)
verknüpft: Sie steckt den Rahmen der Nachahmung der Vorbilder ab, sie garantiert
und vermittelt deren Vorbildhaftigkeit, und sie liefert – etwa mit ihrer
elocutio
elocutio
drittes Produktionsstadium der Rhetorik: Umsetzung des strukturierten
Redestoffes in sprachlichen Ausdruck bzw. Text
-Lehre, ihrer
Stilistik oder ihrer topischen
inventio
inventio
erstes Produktionsstadium der Rhetorik: Finden der Gedanken und Möglichkeiten, die
sich aus einem Thema bzw. aus einer Fragestellung entwickeln lassen
-Lehre – Regeln und Strategien für die Orientierung an den Vorbildern.
© Uwe Spörl / Letzte inhaltliche Änderung am: 09.04.2007
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