In der neueren deutschen Dichtung ist der Daktylus der am häufigsten verwendete dreisilbige
Versfuß. Er ist vor allem durch die Nachbildungen antiker Metren (z.B. als Baustein
des Hexameters) wichtig geworden. Rein daktylische Verse können aufgrund der Analogie
zum Walzertakt einen fließend-tänzerischen Ausdruckscharakter gewinnen.
In Schillers berühmt-berüchtigtem Gedicht zur Geschlechterdifferenz werden zwei verschiedene
Strophenformen verwendet, die auch auf metrisch-rhythmischer Ebene den Unterschied
zwischen Frauen und Männern verdeutlichen sollen (Donat 2003). Beim Beispieltext handelt es sich um die erste sechszeilige ›Frauenstrophe‹; die
Verse bestehen aus je vier Daktylen, in V. 1, 2, 4, 5 mit weiblicher und in V. 3 und
6 mit männlicher Kadenz; der letzte Daktylus im Vers ist dementsprechend einsilbig
oder zweisilbig katalektisch. V. 1 und 2 sind durch Paarreim, V. 3-6 durch Blockreim
miteinander verbunden.