genera dicendi

lat.: Arten/Gattungen des Redens
genera dicendi: Stilniveau-Typologie der traditionellen Rhetorik
Die
elocutio
elocutio
drittes Produktionsstadium der Rhetorik: Umsetzung des strukturierten Redestoffes in sprachlichen Ausdruck bzw. Text
der traditionellen Rhetorik unterscheidet drei Stilebenen, wobei – gemäß der rhetorischen Angemessenheitslehre (
aptum
aptum
Norm der Rhetorik: wirkungsorientierte Abstimmung von Elementen oder Momenten aus unterschiedlichen Bereichen des Textes bzw. der Textproduktion
) – jedes Stilniveau mit einer bestimmten Äußerungsabsicht und Kommunikationssituation verbunden ist. D.h. dieses Stilniveau erlaubt eine mehr oder weniger eingeschränkte Verwendung von funktionalen Abweichungen (vgl.
ars – natura
ars - natura
Ein (quasi) natürlicher (Normal-)Zustand steht einer künstlichen, bewusst gemachten und mit Zwecken behafteten Abweichung von der Norm gegenüber
) von der natürlichen Sprache in Figuren und Tropen.
Üblicherweise werden unterschieden:
Ein Text kann hierbei durchaus zwischen den verschiedenen Stilebenen hin- und herwechseln, je nach der Absicht, die in der zugehörigen Textpassage verfolgt wird. Bei bestimmten Redetypen sind die Stilideale jedoch weitgehend festgelegt, wie z.B. die Lobrede oder die Ode mit dem
genus grande
genus grande
(die höchste) Stilebene: hohes Stilniveau zur Erregung starker, pathetischer Affekte
.
Hinzuzufügen sei hier noch, dass vor allem die Poesie im Verlauf der Rezeption klassisch antiker Rhetorik und Poetik (von der Antike bis ins 18. Jahrhundert) in Analogie zu den drei Stilebenen unterteilt wurde, vgl. Transformation der genera dicendi.
Fragestellung:
Ordnen Sie die folgende Rede des Brutus aus Shakespeares Julius Caesar einem der drei genera dicendi zu! Brutus will und soll hier Rechenschaft ablegen für seine eben vollzogene Tat, die Tötung Caesars:
Textbeispiel:
Brutus:
Römer! Mitbürger! Freunde! Hört mich meine Sache führen und seid still, damit ihr hören möget! Glaubt mir um meiner Ehre willen, und hegt Achtung vor meiner Ehre, damit ihr glauben mögt! Richtet mich nach eurer Weisheit, und weckt eure Sinne, um desto besser urteilen zu können! Ist jemand in dieser Versammlung, irgend ein herzlicher Freund Cäsars, dem sage ich: des Brutus Liebe zu Cäsar war nicht geringer als seine. Wenn dieser Freund dann fragt, warum Brutus gegen Cäsar aufstand, ist dies meine Antwort: nicht weil ich Cäsarn weniger liebte, sondern weil ich Rom mehr liebte. Wolltet ihr lieber, Cäsar lebte und ihr stürbet alle als Sklaven, als dass Cäsar tot ist, damit ihr alle lebet wie freie Männer? Weil Cäsar mich liebte, wein’ ich um ihn; weil er glücklich war, freue ich mich; weil er tapfer war, ehr’ ich ihn; aber weil er herrschsüchtig war, erschlug ich ihn. Also Tränen für seine Liebe, Freude für sein Glück, Ehre für seine Tapferkeit, und Tod für seine Herrschsucht. Wer ist hier so niedrig gesinnt, dass er ein Knecht sein möchte? Ist es jemand, er rede, denn ich habe ihn beleidigt. Wer ist hier so roh, dass er nicht wünschte, ein Römer zu sein? Ist es jemand, er rede, denn ich habe ihn beleidigt. Ich halte inne, um Antwort zu hören. […]
William Shakespeare: Julius Caesar
Es liegt hier wohl
genus grande
genus grande
(die höchste) Stilebene: hohes Stilniveau zur Erregung starker, pathetischer Affekte
vor, denn dieses genus ist der Situation und der Sache einzig angemessen (äußeres
aptum
aptum
Norm der Rhetorik: wirkungsorientierte Abstimmung von Elementen oder Momenten aus unterschiedlichen Bereichen des Textes bzw. der Textproduktion
). Der Text zielt vor allem darauf ab, das Publikum emotional zu gewinnen und von der Berechtigung Brutus’ zur Tat zu überzeugen; und er unternimmt dies – übrigens mit Erfolg – durchaus unter Einsatz eines erheblichen sprachlich-rhetorischen Aufwandes, insbesondere mit suggestiven Anreden, rhetorischen Fragen, steigernden Parallelismen usw.
Es liegt hier wohl
genus grande
genus grande
(die höchste) Stilebene: hohes Stilniveau zur Erregung starker, pathetischer Affekte
vor, denn dieses genus ist der Situation und der Sache einzig angemessen (äußeres
aptum
aptum
Norm der Rhetorik: wirkungsorientierte Abstimmung von Elementen oder Momenten aus unterschiedlichen Bereichen des Textes bzw. der Textproduktion
). Der Text zielt vor allem darauf ab, das Publikum emotional zu gewinnen und von der Berechtigung Brutus’ zur Tat zu überzeugen; und er unternimmt dies – übrigens mit Erfolg – durchaus unter Einsatz eines erheblichen sprachlich-rhetorischen Aufwandes, insbesondere mit suggestiven Anreden, rhetorischen Fragen, steigernden Parallelismen usw.
Genus grande
genus grande
(die höchste) Stilebene: hohes Stilniveau zur Erregung starker, pathetischer Affekte
ist der Situation und der Sache einzig angemessen (äußeres
aptum
aptum
Norm der Rhetorik: wirkungsorientierte Abstimmung von Elementen oder Momenten aus unterschiedlichen Bereichen des Textes bzw. der Textproduktion
). Der Text zielt vor allem darauf ab, das Publikum emotional zu gewinnen und von der Berechtigung Brutus’ zur Tat zu überzeugen; und er unternimmt dies – übrigens mit Erfolg – durchaus unter Einsatz eines erheblichen sprachlich-rhetorischen Aufwandes, insbesondere mit suggestiven Anreden, rhetorischen Fragen, steigernden Parallelismen usw.

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