Archaismus/Neologismus

griech. Archaismus: altertümlicher Ausdruck; Neologismus: neuartiger Ausdruck
Archaismus/Neologismus: tropenähnliche Ersetzung eines (ggf. nicht verfügbaren) eigentlichen Ausdrucks durch einen altertümlichen (Archaismus) bzw. durch einen neuartigen/neu erfundenen (Neologismus)
Archaismen und Neologismen kommen wie
Tropen
(rhetorische) Trope
Abweichung von der sprachlichen Normalform auf der paradigmatischen/semantischen Ebene
durch Ersetzung eines eigentlichen Ausdrucks zustande, gelten aber rhetorischer Lehre nach nicht unbedingt als Tropen.
Archaismen sind Ausdrücke, die erkennbar nicht mehr der aktuellen und üblichen Ausdrucksweise entsprechen, sondern veraltet sind, die aber bewusst eingesetzt werden, um den Sprecher zu charakterisieren, den Text zu variieren oder den von dem Ausdruck bezeichneten Gegenstand in einem anderen, evtl. besonders würdigen Licht erscheinen zu lassen.
Neologismen sind Ausdrücke, die erkennbar neuartig sind und sich nicht im gängigen Sprachgebrauch wiederfinden lassen – etwa Übersetzungen, neue Kombinationen bekannter Wort(teil)e etc. Meistens geschieht dies auf der Suche nach originellen, witzigen oder besonders tiefgreifenden Bezeichnungen. Neologismen haben daher häufig etwas Lustig-Verspieltes.
Beide, Archaismen wie insbesondere Neologismen, können auch auf das Fehlen eines etablierten eigentlichen Ausdrucks reagieren.
Erläuterung:
Anstatt die simple Frage „Worauf warten Sie hier?“ zu stellen, kann man zum Beispiel auch fragen „Zu welchem Behufe antichambrieren Sie hier?“ Man setzt also zwei Ausdrücke ein, die in der Umgangssprache völlig unüblich sind, deren Verwendung wohl irritieren, auf jeden Fall aber Aufmerksamkeit erregen dürften – und die wohl auch nicht jedermann versteht. „Behuf“ statt „Zweck“ ist dabei klar ein Archaismus, da dieses deutsche Wort früher durchaus üblich war. „Antichambrieren“ (vom franz. antichambre: Vorzimmer) war in bestimmten Milieus früher sicherlich ebenfalls üblich, es bleibt aber auch als Fremd- oder Lehnwort erkennbar, so dass hier ein Archaismus oder die (damit natürlich verwandte) Benutzung eines unüblichen, weil fremdsprachigen Ausdrucks vorliegt.
Neologismen werden oft durch neue Wort-Kombinationen gebildet, etwa die „Politesse“ aus „Polizist“ und „Hostess“, oder die „eierlegende Wollmilchsau“, die – wohl als
Metapher
Metapher
Trope: Ersetzung des eigentlichen Ausdrucks durch einen anderen Ausdruck, der mit ihm in einer Ähnlichkeits- oder Analogiebeziehung steht
– für Menschen steht, die alles können (müssen). Nur selten kommt es zu Wortneuschöpfungen wie etwa Pippi Langstrumpfs „Spunk“ – zu dem sich bezeichnender Weise kein Gegenstand finden will.
Verwandt mit Archaismus und Neologismus sind natürlich auch die Verwendung von Dialekt, von Fremdwörtern usw. – wobei manchmal der deutsche Ausdruck ungewöhnlicher ist als ein (eingebürgertes) Fremdwort: So nennt Jean Paul zum Beispiel seine Autobiographie überraschend „Selberlebensbeschreibung“.
Dies zeigt noch einmal: Archaismen und Neologismen bezeichnen genau das, was die Ausdrücke, die sie ersetzen, auch bezeichnen. Sie sind also weitestgehend synonym. Und sie weichen – beabsichtigt oder wohl auch oft ohne Absicht – vom
aptum
aptum
Norm der Rhetorik: wirkungsorientierte Abstimmung von Elementen oder Momenten aus unterschiedlichen Bereichen des Textes bzw. der Textproduktion
des üblichen Sprachgebrauchs ab.

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Archaismus / Neologismus
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