Figurenlehre
(rhetorische) Figur: Abweichung von der sprachlichen Normalform auf der syntagmatischen Ebene
Die Lehre von den rhetorischen Figuren ist – wie die von den Tropen (
uneigentliches Sprechen
(rhetorische) Trope
Abweichung von der sprachlichen Normalform auf der paradigmatischen/semantischen Ebene
) – im Bereich der
elocutio
elocutio
drittes Produktionsstadium der Rhetorik: Umsetzung des strukturierten
Redestoffes in sprachlichen Ausdruck bzw. Text
angesiedelt und dient vor allem der Schönheit und/oder Effektivität der sprachlichen
Äußerung. Sie wird somit auch als Schmuck der Rede (
ornatus) bezeichnet.
Die Figurenlehre ist – neben dem
uneigentlichen Sprechen
(rhetorische) Trope
Abweichung von der sprachlichen Normalform auf der paradigmatischen/semantischen Ebene
– zudem der zentrale Bereich der antiken Rhetorik, der bis heute in der literaturwissenschaftlichen
Textanalyse genutzt wird.
Rhetorische Figuren sind Redeweisen, die, um der Wirksamkeit willen (vgl.
persuasio
persuasio
Die Annahme einer bestimmten Überzeugung (persuasio) durch den Adressaten des Textes
ist die Zielvorgabe der (antiken) Rhetorik. Sie kann durch verschiedene Methoden oder
Prinzipien erreicht werden: movere, docere oder delectare.
), also bewusst und deshalb lizensiert gegen grammatische oder idiomatische Regeln
der (umgangssprachlichen) Normalform verstoßen. Sie stellen Abweichungen auf der syntagmatischen/horizontalen
Ebene des Textes dar, indem etwas hinzugefügt, etwas weggenommen oder etwas umgestellt
wird (vgl.
Änderungsoperationen
Änderungsoperationen
Arten von Veränderungen, die nach rhetorischer Auffassung an (sprachlichen,
kommunikativen) Normalformen vorgenommen werden können
).
Sie sind zudem unterschiedlich klassifizierbar, insbesondere nach der sprachlichen
Ebene, auf der sie jeweils realisiert werden. So kann man etwa Klang-, Wort- und Gedankenfiguren
differenzieren.
Die (klassische) Rhetorik kennt unzählige Figuren, von denen hier nur einige wenige
wichtige eigens (und damit exemplarisch) vorgestellt werden:
-
Alliteration
Alliteration
Klangfigur: gleicher Anlaut aufeinanderfolgender Wörter
-
Anakoluth
Anakoluth
Wortfigur: grammatikalisch unkorrekte Gestaltung einer syntaktischen Einheit („Satzbruch“)
-
Anapher
Anapher
Wortfigur: Wiederholung eines Wortes oder einer Wortgruppe zu Beginn mehrerer aufeinander
folgender Sätze, Satzteile oder Verse
-
Apostrophe
Apostrophe
Gedankenfigur: (scheinbare) Abwendung (des Sprechers) vom ursprünglichen Publikum
und Hinwendung zu einem (ggf. fiktiven) Zweitpublikum
-
Asyndeton
Asyndeton
Wortfigur: unverbundene Aneinanderreihung koordinierter Satzglieder
-
Chiasmus
Chiasmus
Wortfigur: symmetrische Überkreuzstellung gleichrangiger syntaktischer Einheiten
-
Inversion
Inversion
Wortfigur: Vertauschung syntaktischer Elemente
- Klimax
- Parallelismus
- Pleonasmus
- Praeteritio
- Vergleich
- Oxymoron, Antithese und Paradoxon
© Uwe Spörl / Letzte inhaltliche Änderung am: 08.04.2007